Ruhe in Kathmandu

In Nepal wird der Streikaufruf der Maoisten nach dem Staatsstreich von König Gyanendra nicht befolgt

BOMBAY taz/dpa ■ Die von Nepals König Gyanendra nach der staatsstreichartigen Entlassung des bisherigen Kabinetts eingesetzte neue Regierung hat die maoistischen Rebellen gestern zu Gesprächen aufgerufen. „Wir fordern die Maoisten erneut dazu auf, an den Verhandlungstisch zu kommen und die derzeitige politische Krise lösen zu helfen“, sagte Innenminister Dan Bahadur Shai. Ansonsten müsse man „über alternative Schritte“ nachdenken, betonte der Minister, ohne Einzelheiten zu nennen. Ein von den Maoisten verbreiteter Aufruf zum Generalstreik wurde in der Hauptstadt Kathmandu nicht befolgt.

Die Absetzung der nepalischen Regierung und die Ausrufung des Ausnahmezustands durch König Gyanendra führte im Ausland zu scharfen Reaktionen. UN-Generalsekretär Kofi Annan sprach von einem „schweren Rückschlag für Nepal“. In Washington erklärte der Sprecher des State Department, die USA seien „tief besorgt über diesen mutmaßlichen Rückschritt von der Demokratie“. Sie verlangten „sofortige Schritte zur Wiederherstellung der Mehrparteien-Demokratie“.

Besonders scharf fiel die Stellungnahme des Nachbarn Indien aus. Auch in Delhi wurde die Machtübernahme durch den König mit „schwerer Besorgnis“ aufgenommen. Sie sei nicht nur eine Verletzung der Verfassung, sondern brächten die Monarchie und die politischen Parteien in direkte Konfrontation zueinander. „Dies wird jenen Kräften nützen“, sagte der Außenamtssprecher in Anspielung auf die maoistische Guerilla, „die sowohl die Monarchie wie die Demokratie unterminieren wollen.“ Premierminister Manmohan Singh sagte seine Teilnahme am 13. Gipfel der südasiatischen Staaten (Saarc) in Dhaka ab, weil auch Nepals König kommen will.

Die Erklärung des Ausnahmezustands bewirkte, dass die Lage in Nepal, und namentlich in Kathmandu, zunächst ruhig blieb. Dazu trugen nicht nur die Militärpatrouillen in den Straßen der Hauptstadt bei. Der Ausnahmezustand suspendiert Grundrechte wie das Versammlungsrecht. Zudem wird die Vorbeugehaft ermöglicht und gibt es eine strikte Pressezensur.

Die Zensur verbietet jegliche Kritik am König. Bisher wurden lediglich die internationalen Telefonverbindungen (sowie der internationale Luftverkehr) wieder hergestellt. Inländische Telefon- und Internetdienste sind weiter stark beeinträchtigt.

Wichtige Politiker aller Parteien stehen immer noch unter Hausarrest, eine unbekannte Zahl wurde verhaftet. Diese Maßnahmen haben Stellungnahmen von Politikern und Protestaufrufe bisher weitgehend unterbunden. Dies gilt etwa für den über das Internet verbreiteten Aufruf der Maoisten zu einem dreitägigen Generalstreik, dem ersten Schritt einer Phase „von mehr Gewalt“.

Es wäre jedoch falsch, die Ruhe in Kathmandus Straßen nur mit der Angst vor der Staatsgewalt zu erklären. Viele Angehörige der Mittelschicht, die der zehnjährige Bürgerkrieg mit seinen 11.000 Opfern zermürbt hat und die über die Unfähigkeit der demokratischen Politiker empört sind, dürften dem König insgeheim Sympathien entgegenbringen. BERNARD IMHASLY