Mysteriöser Tod eines Regierungschefs

Surab Schwania, georgischer Premierminister und Mitinitiator der so genannten Rosenrevolution, wird in Tiflis tot in der Wohnung eines Freundes aufgefunden. Noch gehen die Ermittler von einem Unfall mit einer defekten Gasheizung aus

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Georgiens Premierminister Surab Schwania wurde gestern früh in der Wohnung eines Freundes in Tiflis tot aufgefunden. Nach vorläufigen Ermittlungen starben Schwania und sein langjähriger politischer Weggefährte Raul Usupow an einer Gasvergiftung. Als Schwania nach mehreren Stunden immer noch nicht auf Anrufe seiner Leibwächter reagierte, brachen diese am frühen Morgen in Usupows Wohnung ein. Der Premier saß im Wohnzimmer über einem Backgammonspiel, Vizegouverneur Usupow lag in der Küche. Beide waren schon tot.

Noch gehen die Ermittler von einem Unfall als Todesursache aus. Offensichtlich war aus der erst vor kurzem installierten Gasheizung Kohlenmonoxyd ausgetreten. Defekte Gasheizungen aus dem Iran sollen in Tiflis schon in mehreren Fällen zu tödlichen Unfällen geführt haben. Dennoch haftet dem Tod eines prominenten Politikers durch einen Gasunfall etwas Mysteriöses an, das im Moment allerlei Anlass zu Spekulationen bietet.

Schwania war nicht nur eine bekannte öffentliche Figur. Der 41-jährige Biologe genoss den Ruf, der strategische Kopf der georgischen Politik in den letzten Jahren gewesen zu sein. Im November 2003 gehörte Schwania zur Troika um Michail Saakaschwili und Nino Burdschanadse, die mit Hilfe der so genannten Rosenrevolution das korrupte Regime des früheren Präsidenten Eduard Schewardnadse unblutig zu Fall brachte. Die Georgier wählten Michail Saakaschwili zum Präsidenten, der zum populärsten Politiker in der Kaukasusrepublik avancierte. Der Masterplan der friedlichen Revolte stammte aus der Feder von Schwania, Georgiens erfahrenstem und talentiertestem Politiker.

Dem Regime Schewardnadse hatte Schwania fast zehn Jahre lang, von 1993 bis 2001, gedient. Zwischenzeitlich wurde der Ex-Parlamentspräsident sogar als Kronprinz gehandelt. Im Sommer 2001 brach er endgültig mit dem Clan Schewardnadses, trat von allen politischen Ämtern zurück und gründete eine eigene Partei. Bei den Parlamentswahlen im Herbst 2003, die dem alten Regime zum Verhängnis wurden, bildete Schwania mit der gemäßigten Oppositionellen Nino Burdschanadse ein Wahlbündnis. Nach den Fälschungen der ersten Runde schlossen sich die drei Politiker endgültig zur erfolgreichen Troika der Rosenrevolution zusammen.

Bis dahin war Schwania auf Distanz zu Michail Saakaschwili gegangen, den er in den 90er-Jahren selbst aus dem Ausland nach Georgien zurückgeholt hatte. Dass er ihm die Rolle des neuen Volkshelden nicht streitig machen konnte, sah er schnell ein.

Im Unterschied zu Saakaschwili genießt Schwania in Georgien keine große Popularität. Man schätzte und fürchtete ihn aber als Graue Eminenz, Mastermind und Strippenzieher hinter den Kulissen. So gelang es ihm nach den Präsidentenwahlen 2004, Saakaschwili zur Teilung der Macht zu bewegen. Eigens für ihn wurde das vorher in der Verfassung nicht verankerte Amt des Premiers geschaffen.

In dieser Funktion wirkte er stabilisierend und verlieh der georgischen Politik Berechenbarkeit und erstmals – nach 14 Jahren Unabhängigkeit – so etwas wie Kooperationsfähigkeit auf internationaler Ebene. Auch die Vertreter der abtrünnigen Republiken Georgiens schätzten den ehemaligen Umweltaktivisten und Gründer der georgischen „Grünen“ als einen um Ausgleich und Stabilität bemühten Politiker. Bislang steht in Tiflis niemand bereit, der diese Rolle ausfüllen könnte.

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