Umweltminister unter Strom

Zwischen Wahlkampf und Weltklimakampf: Jürgen Trittin weiht das weltgrößte Windrad ein. Die Branche jubelt ein bisschen – und mault über hinausgezögerte Genehmigungen

BRUNSBÜTTEL taz ■ 1.300 Kubikmeter Beton, 180 Tonnen Stahl, 12,5 Millionen Euro Bausumme – Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hat am Mittwoch das weltgrößte Windrad in Betrieb genommen. „Hier wird der Wandel der Energiewirtschaft ganz deutlich sichtbar“, sagt der Minister als er den weiß getünchten Turm der 186 Meter hohen Windkraftanlage „5M“ verlässt. Der graue Kasten vis à vis ist das AKW Brunsbüttel. Spätestens 2009 soll es vom Netz gehen.

Einer der angenehmen Termine für einen Umweltminister: Die Branche ist versammelt, um „ingenieurtechnische Meisterleistungen“ zu feiern, „nachhaltige Arbeitsplatzeffekte“ zu bejubeln und ein bisschen über die konventionelle Stromwirtschaft zu schimpfen. „Unsere Ingenieure haben einen Vorsprung von anderthalb Jahren herausgearbeitet. Den gilt es zu verteidigen“, so Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD). Jubel im Festzelt.

Das klingt allerdings auch nach Wahlkampf, und genau darum geht es derzeit in Schleswig-Holstein. Die Windmüller beklagen nämlich landespolitische Realitäten: Die Kieler Regierung gefährde den Vorsprung. Vor allem im – zuständigen – Innenministerium sei die Neigung, weitere Standorte für solche Riesenräder zu genehmigen, jenseits der Wahlkampfreden ausgesprochen gering. „Wir brauchen aber für die 5M dringend weitere Standorte, um mehr Daten und Forschungserkenntnisse zu bekommen“, sagt Martin Skiba, bei Repower für das Offshore-Geschäft zuständig.

Denn dafür ist die Anlage gebaut: Ergänzt um eine Helikopterplattform, sollen die ersten 5M im nächsten Jahr auf hoher See zum Einsatz kommen. Repower-Chef Fritz Vahrenholt jedenfalls konnte zur Einweihung des Prototyps zwei Geschäftsverträge vermelden: Sowohl die britische Firma Talisman, als auch die Firma Bard werden 5M-Maschinen kaufen. Sie wollen sie vor Schottland aufstellen.

Tatsächlich ein Repower-Erfolg, denn das weltgrößte Windrad hat viel Konkurrenz. Bis Herbst stand in Egeln bei Magdeburg das weltgrößte Windrad – die E-112, gebaut von Enercon mit einer Leitung von 4,5 Megawatt. Im Dezember ging dann das größere weltgrößte Windrad ans Netz: eine Multibrid M5000-Maschine, die bei Bremerhafen 5 Megawatt ins Netz einspeist.

Jetzt steht das allergrößte Windrad der Welt also bei Brunsbüttel. Der Prototyp der Hamburger Firma Repower Systems hat zwar dieselbe Leistung wie die Multibrid-Maschine, ist aber im Rotordurchmesser zehn Meter größer. Der Generator soll rund 17 Gigawattstunden pro Jahr einspeisen – der Jahresstromverbrauch von etwa 4.500 Haushalten.

Der Einladung zufolge sollte ursprünglich Bundeskanzler Gerhard Schröder das Superwindrad einweihen. Völlig unbestätigten Gerüchten zufolge wollte sich Gerhard Schröder aber lieber aus der ganzen Zukunfts-Klima-Energie-Debatte raushalten. Wofür sich die Windmüller von Repower übrigens eine eigene Taktik zulegten: Sie mieteten sich im Besucher- und Informationszentrum des AKWs ein. Um von dort aus die Vorzüge der gegenüberliegenden Anlage zu preisen. NICK REIMER