Das Sparbuch – verachtet, aber erfolgreich

Lebensversicherung, Aktien, Fondsgesellschaften – private Vorsorge hat Tücken, nicht nur in den USA. Die Renditen sind erschreckend gering

BERLIN taz ■ Auch in Deutschland ist die private Vorsorge beliebt: Die Politik fordert und fördert sie; und die meisten Bürger misstrauen längst der staatlichen Rente. Dabei birgt der Systemwechsel immense Probleme – nur werden sie gern ignoriert.

Problem 1: die Bürger selbst. Wie eine Bertelsmann-Studie ermittelte, sind etwa 80 Prozent aller Deutschen „finanzielle Analphabeten“. Erstaunlich: Auch Besserverdienende versagen. Trotz der Kursschwankungen hält ein Drittel der Einkommensstarken Aktien für besonders sicher – dem soliden Sparbuch traute hingegen nur ein Fünftel. Nur Ahnungslosigkeit kann auch erklären, dass die Lebensversicherung so beliebt ist: Die Hälfte aller Anleger löst ihre Verträge schon in den ersten fünf Jahren wieder auf – außer Kosten hatten sie nichts davon. Allerdings können die Investoren für ihr Unwissen oft nichts.

Denn, Problem 2: Versicherer, Banken und Fondsgesellschaften bemühen sich nach Kräften, Konfusion zu stiften. „Es gibt eine gewollte Intransparenz“, kritisiert Wolfgang Scholl, Versicherungsexperte beim Bundesverband der Verbraucherschützer. Weder die Kosten noch die Renditen ließen sich bei den einzelnen Finanzprodukten vergleichen. Gesetzliche Vorschriften könnten das ändern – doch „die Regierung hält sich in unverantwortlicher Weise zurück“, stellt Scholl fest.

Mehr Transparenz würde jedoch Problem 3 offenbaren: Die Renditen sind erschütternd niedrig. Um Verwaltungskosten und Inflation bereinigt, so Scholl, bringt eine Lebensversicherung nur noch eine reale Rendite von etwa 0,5 Prozent. Zu diesem überraschenden Ergebnis kam auch die „SEB Invest“: Zwischen 1990 und 2003 war die profitabelste Geldanlage – das Sparbuch.

Das hat mit Problem 4 zu tun: Fast alle Anleger agieren zyklisch – sind Aktien teuer, werden noch mehr gekauft; sind sie billig, will keiner sie haben. Dieses Herdenverhalten wird umso gefährlicher, je mehr Kapital die professionellen Großanleger an den Börsen umwälzen können.

Zumal Problem 5 existiert: Je mehr gespart wird, desto schwieriger ist es, das Kapital sinnvoll anzulegen. „Es ist ein bisschen wie beim Pilotspiel“, sagt Scholl. „Aus dem Geld der neuen Anleger wird eine Scheinverzinsung für die alten gezahlt.“

Dieses Spiel dürfte spätestens in 30 Jahren enden: Wenn sich – Problem 6 – die Demografie bemerkbar macht und viele Alte gleichzeitig ihre Geldanlagen verkaufen, um davon zu leben. Das dürfte die Preise für Wertpapiere drücken, die Anleger müssen mit Verlusten rechnen. Scholls Fazit: „Es ist nicht opportun, große Rentenanteile privat anzusparen.“ ULRIKE HERRMANN