„Nahe am Zeitgeist“

Die Gesamtschule-Ost spielt Goethes „Faust II“

taz: Warum hat es gerade „Faust II“ sein müssen?

Karsten Gundermann, Komponist: Weil es das wichtigste Werk der deutschen Literatur ist – das anspruchsvollste, tiefsinnigste, schönste und bildenste, was Deutschland nach der Luther-Bibel hervorgebracht hat. Und nach diesem Projekt werden die 400 Schüler bis zum Lebensende wissen, wer Goethe war, worum es in Faust geht, und sie haben die wichtigsten Zitate drauf. Hier geht es um einen generellen Weltentwurf. Das Stück liegt dadurch sehr nahe am Zeitgeist.

Was ist mit Faust I?

Das ist ziemlich abgefrühstückt.

Gerade Schülertheater wollen sich oft an schwierigen Klassikern beweisen.

Ich finde das gut, schwierige Klassiker aufzuführen. Soll man lieber seichten Schund spielen?

Sind also alle zeitgenössische Autoren seicht?

Nein. Aber wir leben in einer Welt, die immer geschichtsloser wird. Doch wir machen das nicht nur aus bildungsbürgerlicher Absicht. Wir wollen aktivieren.

Wie bringt man Schülern näher, warum sie heute noch Faust II lesen sollen?

Das Stück hat ja keine stringente Handlung, statt dessen bewegt sich die Figur durch verschiedene Welten. Er versucht sich als Finanzpolitiker, Medienmensch, Ehemann, Kriegsherr oder beim Deichbau in Bremen. Wir haben für jede dieser Szenen einen Paten aus dem Stadtteil gewonnen, diskutieren die Szene mit ihm zusammen. Wir wollen das so konkret wie möglich mit der Lebenswelt der Schüler abgleichen.

2000 gab es eine Inszenierung von Peter Stein, die dauerte mehrere Tage.

Und sie ist das Nonplusultra. Ich musste aber das Stück auf gut zwei Stunden komprimieren, zumal auch gerappt und gesungen wird. Interview: Jan Zier

Nur heute und morgen, 20.30 Uhr, Tenever-Zentrum (Open Air)