Der Wochenendkrimi
: Über die Glut

„Tatort: Feuertaufe“, So., 20.15 Uhr, ARD

Verkaufen und verführen – Martin Forssell (Michael Mendl) geht beiden Tätigkeiten mit dem gleichen bösen libidinösen Feuer nach. Er ist Makler und Motivationstrainer und somit die bilderbuchhafte Verkörperung eines ganzheitlich betriebenen Neoliberalismus.

In seiner Firma, einer Mischung aus Immobilienvermittlung und Sektencamp, versammelt er junge ehrgeizige Frauen um sich und lässt sie über heiße Kohlen laufen. Fröhlich hüpfen sie da mit einheitlichen orange Kleidchen über die Glut – und auch Kommissar Ehrlicher (Peter Sodann) zieht, als niemand hinschaut, seine Socken aus, um unversehrt durch die Asche zu staksen. Hier ist was faul. Die wichtigste Lektion lernen die Elevinnen der kleinen Kapitalismusakademie spät: Nachdem der Gönner zum Karrierestart einen Kredit gezahlt hat, müssen die Zinsen über Liebesdienste abgegolten werden. Der Geschäftsguru ist, jaja, wir wissen es, ein Monster.

Die Charakterzeichnungen in diesem Leipziger „Tatort“, in dem erst eine junge Maklerin, dann der Chef selbst stirbt, sind streckenweise also schlicht geraten (Buch: Andreas Pflüger, Regie: Hannu Solonen). Erstaunlich, dass sich da nebenbei dann doch tragische Größe einstellt: Katrin Saß und Maria Simon spielen zwei Maklerinnen, die um den Spitzenplatz kämpfen und in undurchsichtiger emotionaler Verbindung stehen. Von yuppieskem Schmierentheater keine Spur. Saß und Simon, die beiden ostdeutschen Charakterdarstellerinnen, die sich kühl und unkorrumpierbar auch durch gröberen gesamtdeutschen TV-Schmonzes spielen, zeigen, um was es hier geht: die komplette Durchdringung des Lebens durch die Ökonomie. CHRISTIAN BUSS