Der Fluch des William Penn

Die Philadelphia Eagles stehen im Finale der Super Bowl. Und die Stadt bereut immer noch den Bau eines Hochhauses

Hätten sie sich in Philadelphia doch bloß nicht an William Penn versündigt. 1984 war das. Da haben die Stadtväter mit einem ehernen Gesetz gebrochen. Da haben die Politiker den Bau eines Hochhauses, des 60-stöckigen City Place, beschlossen. Der Bau eines Hochhauses ist nun nichts Ungewöhnliches in den USA. Doch dieses Hochhaus war das erste in Philadelphia, das höher war als die Statue von William Penn auf der Rathausspitze, dem Gründervater Philadelphias.

Seitdem, so glauben die Einwohner, liegt ein Fluch über der Stadt. Ein Sportfluch. Denn seit dem Beschluss hat keines der vier Sportteams mehr eine nationale Meisterschaft gewonnen. Nicht die Philadelphia Eagles (Football), nicht die Flyers (Eishockey), nicht die Phillies (Baseball) und nicht die 76ers (Basketball), die 1983 den letzten Titel nach Philadelphia geholt haben. Ja, nicht mal das mittlerweile in die Zucht gegangene Rennpferd Smarty Jones, das alle vergöttern, hat seitdem das Belmont-Stake-Rennen gewonnen.

Der Fluch ist seit Tagen wieder talk of the town, jetzt, da das Football-Team Philadelphia Eagles am Sonntag in Jacksonville im Finale der Super Bowl gegen den haushohen Favoriten, die New England Patriots aus Boston, steht. Der Philadelphia Inquirer, die Monopolzeitung mit einer Auflage von 400.000 Exemplaren, hat in den Tagen vor dem Finale eine ganze Heerschar an Psychologen aus Pennsylvania und sogar dem Nachbarstaat New Jersey aufgeboten, um den Lesern wirklich alles über Penns Fluch zu erklären. Experten gingen dabei sogar so weit, zu behaupten, William Penn hätte den Fluch längst aufgehoben, hätten ihn Fans nicht immerzu gereizt. 1993, als die Phillies im Baseball-Endspiel um die World Series standen, haben sie ihm eine Baseball-Kappe aufgesetzt – die Phillies verloren. Und 1997, als die Flyers um den Stanley Cup spielten, haben sie William Penn ein Flyers-T-Shirt angezogen – die Flyers verloren.

Eher nüchterne Betrachter halten derlei Interpretationen für überzogen. William Penn und die „schwarze Magie“, so eine Psychologin, müssten dafür herhalten, dass die Menschen in Philadelphia irgendwie mit ihrem Minderwertigkeitskomplex umgehen können. Philadelphia ist zwar die fünftgrößte Stadt in den USA, doch verglichen wird sie nicht etwa mit New York oder Washington – die gerade mal eineinhalb Stunden Zugfahrt entfernt liegen. Die einstige US-Hauptstadt wird eher zweitklassigen Städten wie Pittsburgh, Cleveland oder, besonders verletzend, Baltimore zugeordnet.

„Gerade in dieser sportverrückten Stadt könnten die Eagles das Image der Stadt mit einer Meisterschaft ändern“, sagt die Sportpsychologin Sally White, „deshalb sind die Fans so leidenschaftlich und sicherlich monatelang depressiv, wenn es die Eagles wieder nicht schaffen.“ Niemand in der Stadt redet über eine Siegerparade – vorsichtshalber. Und bisher haben sie auch William Penn kein Eagles-Trikot angezogen. THILO KNOTT

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