Solle m‘r se drinlasse?

Perfektes Product-Placement: Beim „Orden wider den tierischen Ernst“ zeigt der Aachener Karneval, wie’s geht. Und die ARD überträgt das meiste

AUS AACHEN BERND MÜLLENDER

Die 55. Ordensverleihung „Wider den tierischen Ernst“ ist zwar schon fast zwei Wochen her, der geehrte Bischof betet wieder statt schief büttenzupredigen und die ständig im Fernsehen eingeblendeten Politiker regieren wieder das Volk statt neckisch an den falschen Stellen zu lachen. Dennoch ist die Sitzung längst nicht geschlossen: In diesen Tagen schreibt der veranstaltende Aachener Karnevalsverein AKV seine Rechnungen. Es sind Gelder für Name-Dropping, Product-Placement und raffinierte Schleichwerbung.

Die Geschäfte gehören zur Ordensverleihung wie der schräge Dreifachtusch zum Witz. Notorische Seher sagen, es war noch nie so schlimm wie 2005. Humor ist Business – und eine Premiumveranstaltung des Frohsinns besonders. Der AKV e. V. finanziert sich neben 1.400 Eintrittskarten (62 bis 130 Euro) vor allem über jene rund 240.000 Euro des Gebührensenders ARD (Vertrag bis 2009). Dazu kommt die Sponsorenschaft, ganz vorn die Aachener Marmeladenfabrik Zentis („Pflümli“). Sie zahlt dem AKV für die Ordenssitzung und über diverse Rohstoffe (Kamelle) insgesamt zirka 150.000 Euro pro Session. Dafür muss in der Rittersendung ein zuckersüßer Kinderkarnevalspreis überreicht werden – vor insgesamt 5,72 Millionen Zuschauern.

Jede Namensnennung, heißt es aus AKV-Kreisen, ist vertraglich genau fixiert. Nach der Ritterrede wird „mit einem königlichen Bier“ angestoßen, das sogar Bremens Bürgermeister und Vorjahresritter Henning Scherf, im wirklichen Leben militanter Alkoholverächter, dankbar in die Hand nimmt. Eine genauere Namensnennung der Brauerei verstieße hier, weil inhaltlich nicht in die Sendung eingebunden, gegen öffentlich-rechtliche Richtlinien. Aber auch so kassieren die Karnevalisten (inklusive weiterer Leistungen) 50.000 Euro.

Mit dem die Sendung produzierenden Westdeutschen Rundfunk spricht der AKV vorher genau ab, wo bei den trojanischen Pferden werberische Zulässigkeitsgrenzen drohen, ob bei Requisiten oder Wortbeiträgen. Und die Karnevalisten wissen: Die Schere hat der WDR. Die Gagen der externen Künstler gelten als branchenuntypisch niedrig. So arbeiten Mitwirkende manchmal auf eigene Regie, zum Beispiel das Blödeltrio „Josef, Jupp und Jüppchen“, das aus seinem Scherze-Ouevre, das manchmal (von unten her) bis an Gürtellinienniveau heranreicht, eine Art fröhlicher Dauerwerbesendung macht. Und das Fernsehen zieht eisern mit.

Zunächst war dieses Jahr in einem Witzchen die Rede von einem Porsche-Käufer. Porsche ist AKV-Förderer, seit dessen Chef Wiedeking 2003 Ordensritter war. Dann fiel der Name einer berüchtigten Aachener Immobilienmaklerin und eines kleinen lokalen Herrenausstatters. Dessen Inhaber nennt sein Engagement „eine sehr diffizile Sache“ und meint: „Unser Name ist da durch Zufall reingerutscht.“ Dann sagte das dumme Jüppchen zu Schloss Windsor immer Schloss Wilkinson. Der AKV bekam dafür nichts. Der Name war den Skriptprüfern vorher rasierklingenscharf durchgegangen. Es gab Ärger.

Ab dem Frühjahr denken die Alaaf-Funktionäre darüber nach, wie sie Firmennamen einbauen können oder, gut getarnt, bezahlte Szenen, so der Jargon, „in einen Sketch hineinschreiben“ können. Die Kreativität schlägt sich aber auch noch ganz andere Bahnen: Jetzt kam der AKV ganz tierisch ernst auf die Idee, den Zweitligisten Alemannia um Geld anzugehen, wenn wieder jemand auf der Bühne einen Clubschal trägt (was dauernd passiert). Doch der Zweitligist winkte ab – man sieht sich eher als übergeordnetes Kulturgut im Range von Kaiser Karl oder Dom.