Rice wirft Kreml Demokratiemängel vor

Bei einem Treffen mit ihrem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow in Ankara fordert die neue US-Außenministerin von Russland ein stärkeres Engagement für die Fundamente der Demokratie. Der Krieg in Tschetschenien kommt nicht zur Sprache

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Die neue US-Außenministerin Condoleezza Rice traf am Wochenende auf ihrer Europatour auch mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Ankara zusammen. Offiziell galt das Treffen der Vorbereitung des russisch-amerikanischen Gipfels am 24. Februar in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Vor dem Abflug in die Türkei hatte Rice in Warschau bereits Zweifel an der demokratischen Ausrichtung des Kreml geäußert. Russland müsse größeres Engagement für die „Grundlagen der Demokratie“ zeigen, wenn es eine engere Verflechtung mit dem Westen anstrebe. Stärkung des Rechtsstaates, eine unabhängige Justiz und eine freie Presse seien Fundamente der Demokratie, meinte Rice.

Seit Wladimir Putin die Geschäfte im Kreml übernommen hat, steht es mit Wahrung und Ausbau demokratischer Prinzipien nicht zum Besten. Seit anderthalb Jahren belastet die Affäre um den Ölkonzern Yukos und seinen Hauptaktionär, Michail Chodorkowsky, der seit 2003 in Haft sitzt, die russisch-amerikanischen Beziehungen. Washington reagierte auf die faktische Enteignung des Ölmilliardärs wesentlich schärfer als auf Menschenrechtsverletzungen Moskaus in Tschetschenien. Trotz der deutlichen Kritik an Russland wurde der Krieg im Kaukasus in Ankara offiziell nicht behandelt. Stattdessen forderte Rice den Kreml auf, die demokratischen Prozesse in den GUS-Ländern nicht zu untergraben. Zu Dissonanzen hatte zuletzt die Unterstützung des dem Kreml genehmen Präsidentenkandidaten Janukowitsch in der Ukraine geführt. Auch in Georgien verfolgen beide Seiten unterschiedliche Stoßrichtungen. Moskau liegt daran, den instabilen Status quo zu erhalten.

Das Außenminister-Treffen dauerte zweieinhalb Stunden. Auch der Streit um den Bau des Atomreaktors im iranischen Buschehr stand auf der Tagesordnung. Die USA drängen darauf, dass Russland die technologische Hilfe an den Iran einstellt. In der Sache scheint man auch da nicht weitergekommen zu sein.

Zurück in Moskau bekannte Lawrow, das Thema der Demokratie klinge nach wie vor in bilateralen Gesprächen an. Präsident Putin sei bereit, auf dem Gipfel in Bratislava auf alle Fragen zu antworten. Der Kremlchef hätte aber auch ein paar Fragen. „Unser Verhältnis lässt das zu“, meinte Lawrow, der den Eindruck zu vermitteln suchte, als gäbe es grundsätzlich keine unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten. Der Tenor aus dem Umkreis der US-Delegation klang verhaltener. Demnach konnten die Russen Washingtons Bedenken nicht ausräumen.

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