Dunkelbraun frisst Braun

Verschiebungen im rechten Lager: Die NPD schickt sich an, Teile der „Republikaner“ zu übernehmen. Radikalisierung droht

VON ASTRID GEISLER

Die NPD plant eine feindliche Übernahme. Ihr Objekt der Begierde: die „Republikaner“ (Rep). Glaubt man den Nationaldemokraten, dann könnten sie der im Vergleich eher betulichen Konkurrenz schon bald ganze Kreis- oder Landesverbände abspenstig machen. Übertritte einzelner „Republikaner“ interessierten seine Partei deshalb schon nicht mehr besonders, tönt NPD-Sprecher Klaus Beier: „Wir warten lieber noch einige Wochen und nehmen dann das Komplettpaket.“ Gespräche mit Rep-Funktionären liefen „auf allen Ebenen“. Spätestens zum Bundestagswahlkampf würden „alle Dämme brechen“.

Zwar können Sicherheitskreise bisher keine nennenswerten Wanderungsbewegungen von den Reps zur NPD beobachten. Insgesamt befürchten sie aber, dass die Nationaldemokraten erstmals seit Jahren wieder ihre Mitgliederzahl steigern. Als entscheidend für die weitere Entwicklung gilt, ob die Strategie der rechtsextremen „Volksfront“ tatsächlich erfolgreich ist – und die NPD damit weitere Wahlen gewinnen kann.

Aber schon jetzt zeigen die „Republikaner“ deutliche Auflösungstendenzen – besonders im Norden und im Osten der Republik. Die Basis und Kader aus der zweiten Reihe rebellieren dort gegen die Linie des REP-Chefs Rolf Schlierer, der sich immer noch verzweifelt bemüht, seine Partei als Hardcore-Version der CDU zu verkaufen. Vielen Reps ist das zu brav – und vor allem zu wenig erfolgreich. Sie wollen, was die Parteispitze partout verhindern will: eine Beteiligung der Reps an der „Volksfront“ von NPD, DVU und Neonazis. Rund 40 Prozent der Mitglieder, heißt es in Sicherheitskreisen, stünden inzwischen hinter diesem Kurswechsel – und damit in Opposition zur Parteispitze.

Mit dem Absturz der Reps vollzieht sich eine brisante Verschiebung im rechtsextremen Lager. Denn wo die NPD die „Republikaner“ beerbt, radikalisiert sich die Rechte noch weiter. Beispiel Hamburg: Angeführt von Landeschef Thomas Nissen haben die Hamburger Reps ihren seit Jahren dahinsiechenden Landesverband für erledigt erklärt, aufgelöst und sind kollektiv übergetreten zu den Erzfeinden von einst. Die Kleinsttruppe mit ihren weniger als 50 Aktiven nennt sich jetzt „Unabhängige Republikaner in der NPD“. Berührungsängste empfindet Nissen als langjähriger Repräsentant der angeblich gemäßigten „Republikaner“ dabei nicht. Er glaubt, Ex-Reps könnten das „bürgerliche“ Lager in der NPD stärken. „Wenn die NPD eine Volkspartei sein will“, sagt der 56-Jährige, „muss sie verschiedene Flügel vereinen.“

Die Hamburger Überläufer sammeln bundesweit Unterschriften von Gesinnungsgenossen, die aufbegehren gegen den Kurs der Rep-Spitze. Mehr als 700 Mitstreiter hätten schon das „Hamburger Signal“ unterzeichnet, behauptet Nissen. Einer von ihnen ist Peter Lauer, Rep-Kreisvorsitzender in Hannover. Die NPD müsse gar nicht groß um Überläufer werben, sagt er. Allein ihr Erfolg in Sachsen und der Pakt mit der DVU mache die NPD so attraktiv für frustrierte Parteifreunde, „dass da ein Sog entsteht“. Auch Lauer geht inzwischen seinen eigenen Weg. Er hat für die nächste Kommunalwahl eine Art Mini-„Volksfront“ für Hannover gegründet – mit dabei: Reps, DVUler und NPDler.

Überall in der Republik tauchen führende Protagonisten aus den Reps plötzlich in der NPD wieder auf. In Sachsen ist die ehemalige Rep-Chefin Kerstin Lorenz Bürgerbeauftragte der Nationaldemokraten. Sie und ihre Führungskollegen hatten bei den Kommunalwahlen mit den Nationalen zusammengearbeitet, die Rep-Spitze warf sie deshalb aus der Partei. Den Landesverband Sachsen gibt es faktisch nicht mehr. In Brandenburg zählt der Verfassungsschutz noch 50 Reps. Vor fünf Jahren waren es noch doppelt so viele. In Schleswig-Holstein ging die Zahl der Reps von 100 im Jahr 2002 auf zuletzt 60 Mitglieder zurück. Zwar haben die Reps noch traditionelle Hochburgen in südlichen Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg, als reine „Südstaaten-Partei“ können sie bei überregionalen Wahlen aber nur noch verlieren.

Und selbst im traditionell linientreuen bayerischen Landesverband brodelt es inzwischen. Der einzige noch verbliebene Münchner Rep-Stadtrat Johann Weinfurtner tritt für einen Lokalpakt aller Rechtsextremen ein. Unterzeichnet hat das „Münchner Bekenntnis“ auch Norman Bordin, Anführer der örtlichen Neonazi-Kameradschaft und NPD-Mitglied. Bordin saß wegen eines ausländerfeindlichen Überfalls bereits im Gefängnis. Für Stadtrat Weinfurtner ist das kein Problem, im Gegenteil: Als „Republikaner“ dürfe er sich nicht seiner „politischen Verantwortung“ verweigern, sondern müsse auch einem „unbedarften jungen Mann“ behilflich sein, der sich „in der Wüste verirrt“ habe.

Die Spitze der „Republikaner“ verbreitet trotz aller schlechter Nachrichten unverdrossen Durchhalteparolen. Aufruhr in der Partei? Davon könne keine Rede sein, versichert die Vize-Vorsitzende Uschi Winkelsett. Im Gegenteil. Sogar die Mitgliederzahl sei wieder gestiegen im vergangenen Jahr. Hört man genau hin, deuten ihre Ausführungen jedoch auf Ratlosigkeit hin. So lässt sich Winkelsett nicht von ihrer These dadurch abbringen, dass 800 Neuzugänge und 905 Austritte im Jahr 2004 womöglich doch kein klarer Aufwärtstrend sind. Die drohenden feindlichen Übernahmen durch die Konkurrenz erklärt die Rep-Funktionärin mit einer ganz eigenen Theorie: Die NPD, glaubt Winkelsett, habe „einen staatlichen Auftrag, überall unsere Strukturen zu zersetzen“.