Subversiver Pragmatiker

NEUER INTENDANT Dirk Luckow, bislang Direktor der Kieler Kunsthalle, übernimmt zum Herbst die als Haus zeitgenössischer Kunst renommierten, aber chronisch unterfinanzierten Hamburger Deichtorhallen

Am liebsten würde Luckow einen mittelalterlichen Altar in die Deichtorhallen stellen

„Unsere Begegnung war von Anfang an ein geglücktes Projekt. Sonst wäre ich gar nicht hier.“ Dirk Luckow (50), der neue Direktor der Hamburger Deichtorhallen, fand sein erstes Treffen mit F. C. Gundlach, der den Deichtorhallen seine Fotosammlung dauerlieh, sehr positiv. Dass sich die beiden verstehen, ist ziemlich wichtig: Gundlach hat als Gründungsdirektor des „Hauses des Photographie“ bei der Ausstellungspolitik der Deichtorhallen ein Wörtchen mitzureden, aber keiner weiß genau, wie viel.

Um das zu klären, hat man Luckow – anders als Vorgänger Robert Fleck – zum Intendanten beider Häuser ernannt. Luckow, seit 2002 Direktor der Kieler Kunsthalle, beginnt im Herbst und setzt auf ein Wechselspiel zwischen Nord- und Südhalle. Explizit freut er sich auf den Einbezug der Fotografie. „Fotos sind immer ein bisschen näher am Leben dran als die übrige Kunst.“

Auch programmatisch legt er sich nicht fest: „Ich könnte mir vorstellen, auch mal weiter in der Kunstgeschichte zurückzugehen.“ Wie weit? Bis zum Barock, zum Mittelalter? „Barock ist doch schön“, sagt er nur. Und sinniert dann über den auratischen Charme der 4.000 Quadratmeter großen Nordhalle. „Ein weihevoller Ort“ sei das. An dem man, sofern es restauratorisch verantwortbar wäre, „eigentlich mal einen riesigen mittelalterlichen Altar“ zeigen müsste. Dieser Raum „fordert dazu auf, immer wieder zu überlegen, wie sich Kunst und Raum optimal treffen können“.

Das wird er sich nicht oft leisten können, denn das Budget ist schmal, und er wird mit Events Geld einspielen müssen. Aber sie sollen zum Charakter des Ortes passen. Spricht‘s und denkt wohl an den riesigen Ausflugsballon, der aufdringlich dicht neben den Deichtorhallen steht.

Dabei ist Luckow an anderer Stelle für Kontraste durchaus zu haben. Das bewies 2006 seine Kieler Ausstellung „Ballermann“, die die Bildersammlung Jürgen Drews‘ neben hochkarätiger Kunst zum Thema „Massenkonditionierung“ zeigte. „Diese Schau lebte von ihrer Ironie, aber das verstanden nicht alle“, sagt Luckow. Was aber alle verstanden und schätzten: die Ausstellungen „Der demokratische Blick“, gestaltet von Kunsthallen-Mitarbeitern, sowie „Der private Blick“, die Sammler als Persönlichkeiten präsentierte.

Formate, die später von anderen Häusern nachgeahmt wurden, die aber stets auf der hauseigenen Sammlung basierten. Die haben die Deichtorhallen nicht – aber das könnte sich ändern: Harald Falckenbergs renommierte Sammlung zeitgenössischer Kunst sucht mittelfristig eine neue Trägerschaft und soll „in enge Kooperation mit den Deichtorhallen kommen“, sagt Luckow. Das freut ihn, denn „mit einer Sammlung im Rücken hat man bessere Chancen, hochwertige Leihgaben zu bekommen“.

Trotzdem will er nicht nur nach populären Werken schielen. „Mir liegt viel daran, Kunst verständlich zu machen“, sagt er. Aber nur leicht verdauliche Kunst zu bieten – das läge ihm nicht. „Mein Ansatz ist eher subtil, um nicht zu sagen: subversiv“, findet er. Subversiv könnte übrigens auch mal das kuratorische Prinzip einer Ausstellung sein. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, mal einen Künstler eine Ausstellung zusammenstellen zu lassen“, sagt Luckow. „Künstler können geniale Ideengeber sein.“ PETRA SCHELLEN