Keine Neuauflage für Milliardenspiel

Grüne warnen Landesbetriebe, dicke ins Baugeschäft einzusteigen: Entwicklungsgebiete-Erfahrungen reichten

Die alte Volksweisheit, aus Schaden werde man klug, wird selbstverständlich auch in Berlin ignoriert. Nach Ansicht der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist das Land gerade dabei, seine teuer bezahlten Fehler aus der Vergangenheit zu wiederholen. Die Überlegungen der öffentlichen Betriebe Berliner Straßenreinigung (BSR) oder Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), sich als Grundstücksentwickler zu betätigen, müssten „umgehend beendet werden“, sagte deren haushaltspolitischer Sprecher Oliver Schruoffeneger zur taz. Das Land und seine Betriebe sollten die Finger von solchen Milliarden-Investitionen lassen. „Es darf keine weiteren Abenteuer zu Lasten der Steuerzahler geben“, so Schruoffeneger. Denn der „Größenwahn“ beim Bau der städtischen Entwicklungsgebiete koste das Land noch mindestens 1,3 Milliarden Euro.

Die Landesbetriebe haben ihr Interesse bekundet, etwa am Ostbahnhof rund um die im Bau befindliche Sporthalle großräumig eigene Grundstücke zu bebauen. Bei den bisherigen städtischen Entwicklungsgebieten, rechnet Schruoffeneger nun vor, habe die „Unfähigkeit öffentlicher Institutionen als Grundstücksentwickler“ dazu geführt, dass das Land Berlin auf Schulden in Milliardenhöhe sitzen geblieben ist. In der Wissenschaftsstadt Adlershof oder der Wasserstadt Oberhavel bleibe selbst nach „einem rigiden Abspecken der weiteren Maßnahmen und der schnellstmöglichen Beendigung der Projekte ein Defizit von 1,3 Milliarden“.

Dort hat das Land seit den 1990er-Jahren in einem Entwicklungsprogramm für rund 100.000 Wohnungen in Grundstückskäufe und neue Wohn- und Geschäftsbauten investiert. Es konnte aber mangels Nachfrage weder alle Grundstücke bebauen noch die Gebäude wie geplant veräußern. Den voraussichtlichen Einnahmen in Höhe von 400 Millionen Euro bis 2006 stehen in der Bilanz rund 1,7 Milliarden Euro Ausgaben gegenüber für Ankäufe, Infrastrukturmaßnahmen und Sanierungen.

Der desolate Zustand der Berliner Finanzen hat sich nach Einschätzung der Finanzverwaltung zwar 2004 erstmals gebessert. Rund 600 Millionen Euro weniger neue Schulden (insgesamt 58 Milliarden) als ursprünglich geplant musste das Land aufnehmen. Dagegen drücken die Lasten der städtischen Entwicklungsgebiete weiter. Rund 70 Millionen Euro Zinsen jährlich schlagen hierfür zu Buche.

Für die Grünen sind daher solche Überlegungen, wie sie die BVG oder die BSR anstrengten, grob fahrlässig. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren und die enormen Kosten müssten „ein warnendes Beispiel auch für die öffentlichen Betriebe sein“, sagte Schruoffeneger. Man dürfe sich angesichts der Haushaltslage nicht erneut auf ein absehbares „Desaster“ einlassen. ROLF LAUTENSCHLÄGER