Ein unfassbarer Tod

Mehmet Gülbiz, einer der besten türkischen Pressefotografen, ist ermordet worden. Ein persönlicher Nachruf des taz-Korrespondenten in Istanbul

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Für ein gutes Foto hat Mehmet Gülbiz keine Mühe gescheut. Ob in den kurdischen Bergen oder in den Gassen von Istanbul. Wer mit Mehmet zusammenarbeitete, musste Geduld haben. „Warte noch ein paar Minuten, das reicht noch nicht, das Licht muss besser werden.“ Als Istanbuler Korrespondent der taz war ich in den letzten sechs Jahren häufig mit Mehmet unterwegs. Von Usbekistan über den Nordirak bis zu Wahlkampfreisen mit dem heutigen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan hat Mehmet viel für die taz fotografiert. Aber sein Ruf reichte weit über diese Arbeit hinaus: Vielen galt Mehmet als einer der besten jungen Fotografen der Türkei. Am letzten Freitag wurde er ermordet.

Nackt, durch elf Messerstiche regelrecht hingerichtet, fand ihn die Polizei am Freitagabend in seiner Wohnung – aus Zufall, denn die Täter hatten nach dem Mord einen Brand gelegt und die Nachbarn deshalb die Feuerwehr alarmiert. Während die Zeitungen noch über den Verbleib einer mysteriösen Iranerin rätselten, die zu der fraglichen Zeit in seiner Wohnung gewesen sein soll, konnte die Polizei noch in der Nacht von Sonntag auf Montag die mutmaßlichen Täter verhaften. Mehmet hatte kurz vor seinem Tod eine SMS an einen Freund geschickt, in der er mitteilte, dass eine iranische Bekannte in seiner Wohnung zu Besuch sei. Da die Frau daraufhin schnell identifiziert werden konnte, wurde sie zusammen mit einem männlichen Begleiter zwei Tage später in einer Istanbuler Wohnung festgenommen.

Dabei stellte die Polizei auch ein Video sicher, auf dem der Mord festgehalten ist. Aus dem Video soll hervorgehen, dass die Frau die Mörderin ist. Die Polizei geht aber davon aus, dass mindestens eine weitere Person an dem Mord beteiligt war. Obwohl anschließend mehrere Kameras entwendet wurden, handelt es sich offenbar nicht um einen Raubmord, sondern um den Amoklauf einer geistig Gestörten. Zurzeit hält sich die Polizei aber mit Stellungnahmen zurück, da die iranische Botschaft sich eingeschaltet hat und man diplomatische Verwicklungen vermeiden will.

Bei der Beerdigung am Sonntagmittag in Bursa, an der zahlreiche aus Istanbul angereiste Journalisten teilnahmen, konnte noch keiner seiner Freunde und Kollegen begreifen, wie ausgerechnet Mehmet Opfer eines solchen Mordes werden konnte. „Er hasste Gewalt“, sagte sein engster Freund Hakan erschüttert. Mehmet Gülbiz wurde 1969 in Bursa geboren. Seine Eltern gingen nach Hamburg, wo ein Teil der Familie auch heute noch lebt, während Mehmet bereits als Kind wieder nach Bursa zurückkehrte. Trotzdem war er Deutschland eng verbunden. Er arbeitete viel für deutsche Medien, die Agentur, die seine Fotos vertreibt, sitzt in Hamburg. Außer mit der taz war Mehmet hauptsächlich mit dem Spiegel-Korrespondenten Bernhard Zand unterwegs. Vor allem in den letzten Jahren war er aber auch zunehmend weltweit erfolgreich. Er arbeitete für Magazine wie National Geographic, dokumentierte die Ausgrabungen in Troja für ein japanisches Magazin und fotografierte für Time das Cover über die islamistischen Anschläge auf die Istanbuler Synagogen im November 2003. Mehmet lebte praktisch ausschließlich mit und für seine Arbeit. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Durch und durch war er ein politisch engagierter Fotograf, der vor allem während des Bürgerkrieges im kurdischen Südosten der Türkei auch persönlich viel riskierte. Einer seiner Träume in der letzten Zeit war es, ein großes Fotobuch über „seine Stadt“ Istanbul zu machen.

„Wäre er bei seiner Arbeit umgekommen“, sagte ein Freund bei der Beerdigung, „es wäre schmerzlich, aber man hätte es verstehen können.“ So bleibt nur die Ratlosigkeit angesichts des unvorstellbaren Mordes.