Piraten töten schneller

Zwar hat die Zahl der Schiffsüberfälle im Jahr 2004 abgenommen, dafür kamen mehr Seeleute ums Leben

BERLIN taz ■ Die Piraten kommen nachts und schwer bewaffnet. Mit Schnellbooten nähern sie sich ankernden Schiffen oder fahrenden Frachtern. Nicht immer geht es dabei so brutal zu wie im Oktober vor Bangladesch: In der Bucht von Bengale entdeckte die Polizei auf einem dahintreibenden Fischkutter 14 gefrorene Leichen. Nur ein Seemann konnte sich vor den Piraten verstecken und überlebte. Er berichtete, Piraten hätten das Schiff zwei Tage zuvor überfallen, Netze und Motorenteile gestohlen und die Besatzung in die Tiefkühlkammer gesperrt.

Dieser Fall ist kennzeichnend für das vergangene Jahr. Denn die Seeräuberei wird immer gewalttätiger, wie der gestern vorgestellte Piraterie-Report 2004 ergab. Vorgelegt hat ihn das International Maritime Bureau (IMB) der Internationalen Handelskammer ICC in London. Dabei hat die Zahl der gemeldeten Angriffe abgenommen. Hatte das in Kuala Lumpur ansässige Internationale Piraterie Zentrum 2003 mit 445 Fällen zu tun, waren es 2004 nur 325. Dabei starben jedoch mindestens 30 Menschen, neun mehr als im Vorjahr.

Als gefährlichste Gegend stufen die Autoren des Reports die Gewässer um Indonesien ein. Zählt man die Straße von Malakka hinzu, die den Persischen Golf und den Indischen Ozean mit dem Südchinesischen Meer und dem Pazifik verbindet, fanden hier 130 Überfälle statt. Das ist nicht verwunderlich: Allein ein Viertel aller weltweit gehandelten Waren und fast die Hälfte des Erdöls passieren diese Strecke. Hier zeigten sich die Seeräuber auch besonders rücksichtslos. Viele der leer geräumten Schiffe wurden in Brand gesetzt, Besatzungsmitglieder gekidnappt und erst gegen Lösegeld wieder freigelassen. Eine ähnliche Brutalität macht der Bericht nur noch vor der nigerianischen Küste aus, wo Piraten 28-mal zuschlugen. Lagos verzeichnet die höchste Anzahl von Attacken in einem einzelnen Hafen.

Dass die Anzahl der Überfälle und Schiffsentführungen insgesamt abgenommen hat, schreibt das IMB der zunehmenden Aufrüstung der Reedereien zu. Die beliebtesten Waffen sind dabei das vom IMB unterstützte Satellitenortungssystem ShipLoc, mit dem der Kurs eines Schiffes via Satellit überwacht werden kann, und ein von der niederländischen Firma SecureMarine entwickelter elektrischer Zaun mit einer Spannung von 9.000 Volt.

Als ungeplantes, aber effektivstes Mittel zur Bekämpfung der Piraterie erwies sich jedoch die Tsunami-Katastrophe vom Jahresende: Seit dem zweiten Weihnachtsfeiertag wurden in südostasiatischen Gewässern keine Überfälle mehr gemeldet. Vermutlich, so IMB-Direktor Pottengal Mukundan, haben die Wassermassen auch zahlreiche Piraten getötet oder ihre Ausrüstung zerstört. BEATE WILLMS

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