„Dann winkt man nur die einfachen Fälle schnell durch“

Der Leistungslohn im öffentlichen Dienst birgt Probleme, sagt die Expertin Gisela Färber – nicht nur wenn Qualität wichtiger ist als Quantität

taz: Frau Färber, im Zuge der Tarifreform soll Leistung im öffentlichen Dienst künftig stärker entlohnt werden. Kann man Leistung in den vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes, auf den Ämtern beispielsweise, denn überhaupt messen ?

Gisela Färber: Es gibt vielfältige Erfahrungen aus der Privatwirtschaft, Leistungen zu messen. Aber jede Methode birgt selbstverständlich Probleme. Da gibt es beispielsweise Verfahren, wo die Vorgesetzten alleine entscheiden und ihre Untergebenen beurteilen. Diese Bewertung müsste man dann an die Gewährung einer Leistungszulage koppeln. Das Problem dabei ist, dass auf diese Weise oft ein Kontingent festgelegt wird, wonach beispielsweise in einer Abteilung nur zwei „sehr gute Mitarbeiter“ eine Zulage erhalten. Was aber macht man, wenn in einer Abteilung viele gute, in einer anderen aber viele schwächere Kollegen tätig sind?

Kann man die Belegschaft nicht an der Bewertung beteiligen?

Diese Verfahren gibt es auch. Dabei dürfen die Mitarbeiter einer Abteilung in der Regel aber nur die Kollegen aus anderen Bereichen bewerten.

Kann man Leistung nicht einfach nur nach Fallzahlen bemessen?

So genannte Pensenschlüssel werden heute schon vorgegeben. Das hat aber zur Folge, dass zum Beispiel in einer Baubehörde die einfachen Fälle schnell durchgewunken werden, die schwierigeren aber liegen bleiben, um das quantitative Pensum nicht zu gefährden. Dieser Effekt kann nicht gewollt sein.

Die Gewerkschaft Ver.di spricht immer von „Zielvereinbarungen“, die vor Ort in den Behörden getroffen werden müssten.

Die Frage ist, was steht in dieser „Zielvereinbarung“? Nehmen wir zum Beispiel die Finanzämter. Da sind Qualitätsmerkmale doch viel wichtiger als Fallzahlen. Ein Steuerbescheid sollte möglichst nicht fehlerhaft sein. Die Qualität der Arbeit wäre dort viel wichtiger als die Quantität.

Kritiker monieren oft, dass zahlenmäßige Vorgaben, beispielsweise in den Arbeitsagenturen, dazu geführt haben, dass dort die Sachbearbeiter möglichst rüde versucht haben, Leute aus der Statistik zu schmeißen.

In den Arbeitsämtern gab es in der Tat schon in den 90er-Jahren Leistungsvereinbarungen, die auf Vermittlungszahlen abstellten. Das führte zu dem bekannten Skandal, das als Vermittlungen auch alle möglichen Tipps und von Arbeitslosen selbst organisierte Jobaufnahmen gezählt wurden. Daraus wird klar, dass alle Verfahren zur Leistungsbewertung im öffentlichen Dienst regelmäßig von einer zweiten externen Instanz kritisch evaluiert werden müssen, damit sie keine unkontrollierte „Eigendynamik“ entfalten.

INTERVIEW: BARBARA DRIBBUSCH