Guter Einsatz lohnt sich

Die Tarifpartner wollen sich so schnell einigen, Staatsangestellte nach Leistung zu bezahlen, als ob es dafür eine Prämie gäbe

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Kann das sein, eine „Jahrhundertreform“ in nur zwei Tagen? Seit gestern tagt die „Elefantenrunde“ in Potsdam, um ein modernes Tarifrecht für den öffentlichen Dienst zu beschließen. Die Beteiligten gaben sich vorher zuversichtlich. Bundesinnenminister Otto Schily sah eine „große Chance“; Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, war „verhalten optimistisch“. Bei der Tarifunion hieß es, „gebucht ist eine Übernachtung“. Schon heute, so der Plan, soll ein Ergebnis vorliegen, das die angereisten Tarifkommissionen absegnen können.

Kernpunkt der Reform, die seit zwei Jahren vorbereitet wird, ist die leistungsgerechte Entlohnung. Bisher haben Lebensalter, Dienstdauer oder Familienstand bestimmt, wie viel ein Staatsbediensteter bekam – künftig soll auch das berufliche Engagement zählen.

Das neue Tarifrecht würde für rund 7 Millionen Arbeiter und Angestellte gelten: Etwa 170.000 beim Bund und weitere 1,9 Millionen bei Städten und Gemeinden. Zudem orientieren sich auch Kirchen, Verbände und Sozialversicherungen am öffentlichen Tarif. Bei ihnen arbeiten etwa 5 Millionen Menschen.

Zusätzlich wären bundesweit 1,7 Millionen Beamte indirekt betroffen, deren Gehalt gesetzlich geregelt wird. Schon im letzten Oktober beschlossen Beamtenbund, Ver.di und Schily ein „Eckpunktepapier“, das auch für die Beamten eine leistungsgerechte Entlohnung vorsieht. Allerdings müssten die Länder zustimmen, die Verhandlungen stehen noch aus.

Eine Gruppe der Staatsbediensteten würde jedoch nicht unter das neue Tarifrecht fallen: die etwa 900.000 Arbeiter und Angestellten der Länder. Denn erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sind die Länder aus den Tarifverhandlungen ausgestiegen. Schon im Juni 2003 kündigten sie die Tarifverträge zu Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Im April 2004 verabschiedeten sie sich auch vom Tarifvertrag zur Arbeitszeit, der im Westen 38,5 Stunden pro Woche vorsieht. Stattdessen fordern die Länder Öffnungsklauseln wie im Beamtenrecht. Argument: Es sei ungerecht, dass für Angestellte andere Regeln gelten – schließlich arbeiten Beamte in Bayern bereits 42 Stunden wöchentlich, in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gilt für neu eingestellte Beamte die 41-Stunden-Woche.

Ver.di droht den Ländern mit Streiks, falls sie sich der Tarifreform nicht anschließen sollten. Bisher allerdings zeigen sich die Länderinnenminister wenig beeindruckt – trotz der ersten Warnstreiks, an denen sich Mitte Januar bundesweit etwa 12.000 Menschen beteiligt haben.

Doch auch zwischen Bund, Kommunen und Gewerkschaften sind nicht alle Konflikte ausgeräumt, obwohl man so optimistisch in Potsdam verhandelt. Knackpunkt: Wie viel wird die Reform die maroden Staatskassen kosten? Die Gewerkschaften haben darauf verzichtet, eine konkrete Lohnforderung zu erheben. Auch haben sie bisher nicht die Tarifverträge mit Bund und Kommunen gekündigt, können also nicht streiken. „Aber selbstverständlich wollen wir an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhaben“, sagt ein Sprecher der Tarifunion. Ein Inflationsausgleich muss für die Gewerkschaften also mindestens sein – über die gesamte Reform verrechnet. Denn jede Einzelkorrektur lässt sich in Geldwerten ausdrücken. „Eine Arbeitsstunde mehr entspricht einem Einkommensverlust von 4,5 Prozent“, rechnet die Tarifunion vor. Das will man kompensiert sehen.

Dabei dürften sich Bund und Kommunen unterschiedlich kompromissbereit zeigen. Dem Bund ist an einem schnellen Abschluss der Tarifrunde in Potsdam gelegen, um die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen nicht zu belasten. Zudem wären Zugeständnisse für den Bund leichter zu finanzieren als für die Kommunen – schließlich ist Schily nur der oberste Chef von 170.000 Angestellten und Arbeitern, während die Gemeinden fast 2 Millionen Mitarbeiter bezahlen müssen. Schily sah gestern voraus: „Der Teufel steckt im Detail.“