Türkisch-Deutscher Kulturmix für Europa

Das Ruhrgebiet hat ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Kulturhauptstadt-Bewerbern gefunden. Mit einem türkisch-deutschen Kulturfest in der Bochumer Jahrhunderthalle sollen andere Städte ausgestochen werden

Essen taz ■ Das Ruhrgebiet hat die kulturelle Kraft seiner Migranten entdeckt. „Bisher ein blinder Fleck in der Kulturpolitik“, sagt Essens Kulturdezernent Oliver Scheytt. Jetzt soll mit dem interkulturellen Potential erst einmal Werbung betrieben werden – für die laufende Kulturhauptstadtbewerbung 2010.

“Wir müssen damit überzeugen, was wir auf die EU-Kriterien noch oben drauf setzen“, so erklärte NRW Kulturminister Michael Vesper (Grüne) gestern in der Essener Philharmonie das neue Engagement. Über 100 Künstler haben einen Aufruf „Europa lebt im Revier“ unterschrieben. Mit einem mehrjährigen türkisch-deutschen Festival wollen sie die Bewerbung von Essen als Europäische Kulturhauptstadt unterstützen. „Wir sind auch die interkulturelle Hauptstadt“, begründet die Kabarettistin Gerburg Jahnke (Missfits) ihre Unterschrift. Das unterscheide das Ruhrgebiet von den anderen Bewerberstädten. „Wir sind auch die erste Region in der Bewerbung, die das Thema Zuwanderung und Migration ernst nehmen“ sagt Minister Vesper. Das sei auch klug, denn im Jahr 2010 hätten fast 50 Prozent der Jugendlichen im Revier einen Migrationshintergrund.

Bereits Ende Oktober soll das erste türkisch-deutsche Kulturfest „Melez“ (türkisch für Mischling) in der Bochumer Jahrhunderthalle für Furore sorgen und die kulturellen Aktivitäten türkischstämmiger Migranten bekannt gemacht werden. Mit bereits bestehenden Festivals in Deutschland (Türkisches Oktober Festival, München, Türkisch-Deutsches Filmfestival, Nürnberg), und der Region (Kemnade International, Bochum, Odyssee, Mülheim) wird dafür zusammen gearbeitet. Für die nächsten Jahre soll daraus „ein großes Festival der hybriden Identitäten des Ruhrgebiets“ entstehen, so Holger Bergmann, der Kulturfest-Organisator vom Mülheimer Ringlokschuppen.

Aber auch die Kommunen werden am türkisch-deutschen Aufbruch des Reviers beteiligt. Fünf Städte wurden ausgewählt, in ihren Kultureinrichtungen interkulturelle Angebote zu erarbeiten. Den Zuschlag erhielten Essen, Dortmund, Hamm, Hagen und Castrop-Rauxel. Sie hatten im Auswahlverfahren des Kulturministeriums die besten Konzepte – und finanzieren sie aus dem eigenen Haushalt. Rund 100.000 Euro gibt das Land für die begleitende Werbeagentur.

Mit diesem Paket „wollen wir die Jury, die uns am 20. Februar besucht, beeindrucken“ sagt Minister Vesper. Denn die EU-Kulturhauptstadt-Kriterien von 1999 verlangten geradezu einen Dialog der Kulturen. „Jetzt kommt es darauf an, welche Fördertöpfe bereit gestellt werden“ sagt Oliver Scheytt. Erst dann werde man sehen, welchen Wert die Migrationskultur im Ruhrgebiet hat. PETER ORTMANN