Erst einparken, dann anrufen

Berlin revolutioniert die Parkraumbewirtschaftung: In einem Modellversuch können 10.000 AutofahrerInnen ihre Parkzeit total innovativ per Handy bezahlen. Doch die Revolution ist ein bisschen zahlenlastig – und kommt in Mitte mit Verspätung

VON ULRICH SCHULTE

Mehr Innovation geht nicht: Statt vorgestrig nach Kleingeld zu kramen, können Autofahrer in der Innenstadt für ihre altmodisch erkämpfte Parklücke künftig per Handy zahlen. Per Handy! Ticketlos! Einmalig in Deutschland! Sofort!

Eine Revolution der Parkraumbewirtschaftung bricht sich also Bahn. Zugegeben, Bremen und, nun ja, Saarbrücken sind der Innovationshauptstadt mit ähnlichen Systemen zuvorgekommen. Und gut, bei der ganzen Sache handelt es sich nicht um „den Kick-off-forever“, sagte Verkehrsstaatssekretärin Maria Krautzberger (SPD) gestern. Sondern um ein zwölfmonatiges Modellprojekt. Mitmachen können nur 10.000 FahrerInnen, 1.100 haben sich schon gemeldet.

Doch die können es dann tatsächlich in Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg tun: per Handy noch im Auto ihre persönliche Parkzeit starten (siehe Kasten). Die Gebühren bleiben dabei gleich: Fallen Unter den Linden am Automaten zum Beispiel für die angefangene halbe Stunde 50 Cent an, sind es beim Handyparken für drei Minuten 5 Cent.

Das neue Angebot sei aber bequemer (kein Gang zum Automaten) und fairer (Abrechnung alle drei Minuten), wirbt Thomas Tampier, Geschäftsführer der Betreiberfirma Mobile Parking. „Wenn der Arztbesuch länger dauert, braucht sich keiner mehr Sorgen um ein Knöllchen machen.“ Fazit: „Damit erreichen wir nicht nur die SMS-Kiddies.“

Um all das genießen zu können, muss der Parkwillige erst mal seinen genauen Standort herausfinden. Die Parkraumbewirtschaftung teilt sich in mehrere Zonen mit unterschiedlichen Preisen und Zeiten – für jede ist eine andere Telefonnummer die richtige. Eine der seltenen Parklücken am Hackeschen Markt hätte zum Beispiel die 08 00-72 75 36 03 plus Kennziffer Mitte-Nord 23. Eine bunte Karte hilft bei dem Nummernspielchen. Aber was passiert, wenn man aus Versehen die falsche eintippt? Weil auf der Karl-Liebknecht-Straße im Norden (grün) eine andere Nummer als im Süden (gelb) gilt? Tampier sieht da „kaum Probleme“, weil eh fast überall ähnliche Gebühren gelten. Staatssekretärin Krautzberger verweist auf den Modellcharakter: „Über eine Vereinheitlichung kann man ja im Erfolgsfall nachdenken.“

Ob ein Handyparker wirklich gezahlt hat, prüfen die Kontrolleure der Bezirke, indem sie mit einem Fotohandy eine Vignette an der Autoscheibe scannen. Berlins Datenschützer haben keine Einwände: „Zumal es nach wie vor die Alternative des Ticketautomaten gibt“, sagt Hanns-Wilhelm Heibey. Sollte das System obligatorisch werden, müsse man „neu nachdenken“.

Der „Start mit dem heutigen Tage“ (Pressetext) verschiebt sich übrigens ein bisschen: Die Vignetten treffen erst in den nächsten Tagen per Post bei den ersten Autofahrern ein. Während in Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg die Kontrolleure schon eifrig auf den neuen Handys herumtippen können, geht in Mitte „diese Woche überhaupt nichts“, heißt es im Ordnungsamt. Erst Freitag würden die MitarbeiterInnen geschult; wann die nötige (High-) Technik geliefert werde, wisse man noch gar nicht.