Der Frieden ist da, die Hilfe fehlt

AUS RUMBEK ILONA EVELEENS

Die Töpfe in Lona Salomas Haus sind leer. Durch die Ritzen in den Strohwänden ihrer Hütte dringen Sonnenstrahlen. Ihr ärmlicher Besitz ist mit einem Tuch abgedeckt, zum Schutz gegen den allgegenwärtigen Staub. „Wir haben seit einigen Tagen nichts zu essen außer wilde Früchte, die wir hier in der Gegend finden“, sagt die Kriegerwitwe. „Die Kirche hilft ein wenig und auch die Bevölkerung, aber die hat selbst nicht viel.

Lona Saloma will in ihrem Quartier in Rumbek im Südsudan eigentlich gar nicht bleiben. Lange lebte sie als Flüchtling vor dem südsudanesischen Krieg in Sudans Hauptstadt Khartum. Weil jetzt Frieden geschlossen worden ist, will sie nach Hause. Das ist in Wau, einer Stadt einige hundert Kilometer weiter westlich. Der Weg dorthin ist ihr aber noch zu unsicher.

Lona sieht viel älter aus als ihre 30 Jahre, und das dunkle Kleid ist viel zu groß für ihren dürren Körper. Dass jetzt Frieden herrschen soll, kann sie nicht so recht glauben. Als der Krieg vor über 20 Jahren anfing, war sie noch ein kleines Mädchen. „Ich kenne hier nur ein Leben in Verstecken vor den Arabern, Fliehen vor den Arabern“, sagt sie. „Die Angst ist immer noch da, die geht nicht leicht weg.“

Nun wohnt sie zusammen mit rund 250 anderen zurückgekehrten Südsudanesen in Rumbek auf einem Gelände, auf dem die katholische Kirche eine Schule baut. Es stehen dort kaum Bäume, die Schutz vor der Sonne bieten. Ein paar magere Ziegen knabbern an Akaziensträuchern. Nicht weit weg stehen die Gebäude der UNO und internationaler Hilfsorganisationen. Die Kleinstadt Rumbek wird in Zukunft Hauptstadt des Südsudans sein. Daher ziehen die Ausländer hierher, die die neue südsudanesische Autonomieregierung unterstützen sollen, und so ist Rumbek jetzt schon Hauptstadt der Hilfswerke. Vor ein paar Jahren konnten Kinder auf Rumbeks Sandwegen noch Fußball spielen – jetzt liegt ständig eine Staubwolke über dem Ort, aufgewirbelt von den japanischen Geländewagen.

Früher bestand Rumbek nur aus ein paar Häuschen in der Savanne, die in der Trockenzeit staubig ist, in der Regensaison aber fruchtbar wird. Dann gibt es reichlich Gras für die Kühe der Dinka – das Hirtenvolk von Rebellenführer John Garang, der Südsudan künftig von Rumbek aus regieren wird. Andere Volksgruppen in Südsudan sind über die Wahl der Hauptstadt nicht sonderlich begeistert: Sie sehen darin ein Zeichen, dass die Dinka ihre neue Macht nicht teilen wollen.

Die Helfer haben kühles Bier

Der katholische Priester Salvador Ferrao lebt schon seit zwölf Jahren in Rumbek. Mit seinem Spitzbart sieht der Jesuitenpriester aus Indien aus wie ein verärgerter Ho Chi Minh. Ein paar Mal pro Woche besucht er die Zurückgekehrten – es ist vor allem seine Kirche, die ihnen Seifen, Decken und etwas Nahrung bringt. Diesmal reicht es nicht. „Ich werde versuchen, Essen zu finden, und bringe das dann morgen“, verspricht er. Grollend bemerkt er hinterher: „Es gibt wenig Interesse für die Lage der Zurückgekehrten hier. Die Leute sind schon seit zwei Monaten da, aber wir müssen jetzt die internationalen Organisationen auf sie aufmerksam machen, damit ihnen Essen gebracht wird.“

Die Hilfsorganisationen fingen schon vor einem Jahr an, nach Rumbek zu ziehen, in Erwartung des jetzt unterzeichneten Friedensvertrages. Die offizielle Unterschrift unter das Abkommen ließ noch ein Jahr auf sich warten, also hatten die Hilfswerke viel Zeit. 143 Zelte gibt es nun in dem privaten Lagergelände, wo sie alle wohnen. Hier gibt es kaltes Bier, Internet, ein kleines Fitnesszentrum und Verbindungsbüros der britischen und niederländischen Botschaften. Dahinter bleiben die Kunden der Helfer unsichtbar. Sie sitzen im Nichts, und allmählich verlieren ihre Träume von der Heimkehr den Glanz.

Rebellen, die Bürokraten sind

Nach UN-Angaben sind im vergangenen Jahr, als im Südsudan bereits die Waffen schwiegen und der Friedensvertrag eigentlich schon unter Dach und Fach war, bereits 400.000 südsudanesische Flüchtlinge heimgekehrt. Dieses Jahr werden 600.000 erwartet. Die Frage an einen UN-Mitarbeiter, warum die paar hundert in Rumbek zu wenig zu essen haben, verursacht eine irritierte Reaktion. „Wir werden überflutet mit Anträgen für Essen. Wir brauchen aber Beweise, dass die Menschen wirklich angekommen sind“, behauptet er. Aber sie sind doch da? „Wir müssen wissen, wie viele es sind, damit wir wissen, wie viel Nahrung nötig ist. Wir verlangen eine einfache Registrierung durch das SRRC. Aber daran mangelt es oft.“

Das SRRC (Sudanese Relief and Rehabilitation Committee) ist der soziale Arm von John Garangs Rebellenbewegung SPLA, die Südsudan zukünftig regieren wird. Kooperativ sind die SRRC-Bürokraten tatsächlich nicht. Ein Besuch in ihrem Büro mit der Bitte um Aufklärung über die Lage wird abgewiesen. „So etwas muss einige Zeit zuvor beantragt werden“, sagt der SRRC-Chef in Rumbek. Seine Arbeitslust ist offenbar gering. Kein Wunder: SPLA-Beamten erhalten kein Gehalt, ebenso wenig wie SPLA-Rebellenkämpfer. Daran wird sich etwas ändern müssen, wenn der Friedensvertrag je umgesetzt werden soll.

„Die Kapazität im Süden ist zu gering“, räumt der UN-Sonderbeauftragte für Sudan, Jan Pronk, bei einem Besuch in Rumbek ein. „Nicht alle Flüchtlinge und Vertriebenen können im Jahr 2005 heimkehren. Das muss nach und nach geschehen. Es ist eine Sache von Geld, aber auch von Land, Arbeitsmöglichkeiten und sozialer Infrastruktur.“ Und all das gibt es noch nicht.

Stattdessen gibt es viel Gerangel um die Macht im „neuen Sudan“. Schon während des Krieges stritten sich die Volksgruppen und Kriegsführer um Land, Wasser und Macht. Jetzt hat Rebellenführer Garang einen Süd-Süd-Dialog versprochen, um die Spannungen abzubauen. Aber: „Nichts geschieht“, meint Priester Salvador Ferrao. „Jeder scheint so beschäftigt damit zu sein, eine gute Ausgangsposition zu finden.“

Vergeblich wartet UN-Vertreter Pronk bei seinem Besuch auf Rebellenchef Garang, von dem hier alles abhängt. Der ist aber offensichtlich zu sehr beschäftigt und befindet sich 600 Kilometer südlich – in einem anderen Dorf, das in den letzten Jahren stark gewachsen ist. New Site, an der Grenze zu Kenia, ist das Feldlager von SPLA-Führer John Garang. Neben Hütten aus Lehm und Stroh liegt das SPLA-Grundstück: Steinhäuser mit Klimaanlagen und fließendem Wasser, davor Geländefahrzeuge mit kenianischen Nummernschildern.

In beiger Hose und weißem Hemd erklärt Garang, dass die internationale Gemeinschaft zu wenig für die Menschen tut. „Die UNO hat keine angemessenen Vorbereitungen getroffen, um geflüchtete Südsudanesen bei der Rückkehr aufzufangen“, schimpft er. „Die Mehrheit der Flüchtlinge will zurück. Aber zurück wohin?“

Das weiß auch seine Gesprächspartnerin nicht, die niederländische Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit, Agnes van Ardenne. Auch sie hatte vergeblich in Rumbek auf Garang gewartet und fuhr dann kurzerhand nach New Site. Der Chef belohnt sie mit einem Empfang mit Sang und Tanz. Sogar eine Blaskapelle in roten Unformen erwartet die Ministerin neben der Flugzeugtreppe.

Die Niederländerin verspricht dem Rebellenchef, an Jan Pronk einen Brief zu schreiben. „Die UN sind zu spät“, sagt sie. „Es ist dramatisch, dass sie nicht vorbereitet sind. Es geht hier doch nicht um einen Tsunami, der unverhofft zuschlägt!“

Dann erklärt die erste offizielle europäische Regierungsbesucherin bei Garang seit dem Friedensvertrag, warum es von außen erst mal kein Geld geben kann. Sie sagt Garang genau das, was sie davor schon in Khartum der Zentralregierung gesagt hat: dass die Niederlande die versprochenen 100 Millionen Euro für den Aufbau des Südsudan nicht auszahlen werden, bis die Situation in Sudans westlicher Krisenregion Darfur stabil ist.

Aber die Rückkehrwilligen warten nicht auf das Geld vom Ausland. Um das zu verstehen, muss man nach Mayo fahren, im Nordsudan, nur eine halbe Stunde Autofahrt von der Hauptstadt Khartum entfernt. Es ist das größte Lager für südsudanesische Vertriebene im Norden, hier wohnen mehr als 130.000 Menschen im Elend. Die Kinder sind zerlumpt, an Straßenecken sitzen arbeitslose junge Männer.

Nicht alle Südsudanesen im Norden leben so. Viele haben sich ein neues Leben aufgebaut, andere haben während des langen Krieges im Norden Kinder bekommen, die nur Arabisch sprechen und nicht die Sprachen des Südens. Aber wer in Siedlungen wie Mayo lebt, legt ohne weiteres hunderte von Kilometern zu Fuß oder auf offenen Lastwagen zurück, um in die Heimat zurückzukehren.

Cecilia Paulino, eine der Flüchtlingsfrauen in Mayo, weiß noch nicht, ob sie zurückkehren wird. „Hier gehen die Kinder jedenfalls in die Schule“, sagt sie schließlich. „Ich habe gehört, dass es im Süden zu wenig Schulen und Lehrer gibt. Anderseits werde ich hier häufig verhaftet, weil ich Alkohol braue. Das ist nach dem islamischen Gesetz hier verboten. Aber für mich ist es die einzige Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen.“ Sie schweigt kurz, überlegt und sagt dann: „Im Süden könnte ich Bäuerin werden und arbeiten, ohne immer im Gefängnis zu landen. Und außerdem soll es dort eine Menge Hilfe aus dem Ausland geben.“ Wenn sie nur wüsste.