Neue Nähe im Nahen Osten

Von einer „Möglichkeit für den Frieden“ spricht Abbas nach seinem Treffen mit Scharon. Die Nagelprobe steht noch aus: Israels Abzug aus Gaza

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Zwischen Israel und den Palästinensern besteht seit gestern eine offizielle Waffenruhe. Gut vier Jahre dauerte die Al-Aksa-Intifada an. Sie forderte über 3.000 Todesopfer unter den Palästinensern und fast 1.000 Tote auf israelischer Seite. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach im ägyptischen Scharm al-Scheich von einer „neuen Möglichkeit für den Frieden“.

Doch seine Erklärung nach dem Treffen mit Israels Premierminister Ariel Scharon war nicht nur versöhnlich. Abbas verschwieg nicht, dass Konfliktpunkte offen bleiben und warnte mit Nachdruck vor unilateralen Schritten. Damit schlägt er einen anderen Ton an als vor eineinhalb Jahren, als er – sehr zum Ärger seines Volkes – seine Rede beim Gipfel in Akaba vor allem dem israelischen Leid und der Notwendigkeit, den Terror zu beenden, widmete. Diesmal sprach er auch das Problem seiner noch inhaftierten Landsleute an, die jüdischen Siedlungen sowie die „Sicherheitsmauer“.

Dennoch vermeldeten beide Seiten „außerordentlich gelungene“ Gespräche. Dabei saßen Scharon und Abbas kaum eine Stunde beisammen. Der Gipfel galt eher der offiziellen Wiederaufnahme direkter Kontakte nach eineinhalb Jahren Funkstille. Scharon sagte im Anschluss auf Hebräisch: „Wir beten darum, dass der heutige Tag als Tag erinnert wird, der den Frieden zwischen allen Völkern im Nahen Osten einleitete.“ Im Gegensatz zu Abbas konzentrierte sich Scharon auf bereits getroffene Vereinbarungen, etwa die Bildung eines „gemeinsamen Forums, das über künftige Gefangenenamnestien entscheiden wird“. Israels Regierungschef beendete seine Rede mit dem konkreten Angebot an die Palästinenser, den Abzug aus dem Gaza-Streifen, der zunächst unilateral geplant war, angesichts der neuen Situation „nun in Absprache zu erfolgreicher Umsetzung“ zu führen. Damit kommt er Abbas’ Bitte entgegen, von unilateralen Schritten abzusehen.

Die nächste Herausforderung für beide Seiten ist nun, eine Einigung über die Amnestie palästinensischer Gefangener zu erreichen. Daran waren die Verhandlungsteams im Vorfeld des Gipfels gescheitert. Israel will zudem schrittweise fünf Städte im Westjordanland erneut unter palästinensische Kontrolle stellen. Die eigentliche Prüfung wird schließlich der Abzug aus dem Gaza-Streifen sein, der vor allem für Scharon innenpolitisch noch einige Hürden bereithält.

Die ersten Früchte der erneuerten Beziehungen zu den Palästinensern konnte Scharon bereits ernten: Ägypten und Jordanien sagten die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu. Beide Staaten hatten zu Beginn der Al-Aksa-Intifada ihre Botschafter abberufen. Scharon lud Präsident Mubarak und Jordaniens König Abdullah nach Jerusalem ein. Der ägyptische Staatschef hatte während des Gipfels an Syrien und Libanon appelliert, ebenfalls politische Verhandlungen aufzunehmen. Die Gespräche zwischen Damaskus und Jerusalem wurden vor gut vier Jahren abgebrochen.