Ein edles Gefühl wie bei alten Freunden

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Café Ritorno in Berlin-Neukölln – italienische Küche statt Kiosk

Ein Café, das selbst für Neu-Neuköllner Verhältnisse edel wirkt

Einen Kiosk in der Straße zu haben kann eine schöne Sache sein. Vor allem in Berlin, wo die Art des Spätkaufs sich etabliert hat, wird man selten in die Verlegenheit kommen, ohne Zigaretten, Bier und Chips zu Hause sitzen zu müssen. Doch seit die Ladenöffnungszeiten erweitert wurden und sich dazu noch das Leben ändert, man sowieso dank Nachwuchs und gesteigertem Gesundheitsbewusstsein nicht mehr mit Zigaretten, Bier und Chips vor dem Fernseher sitzen mag, verliert der Kiosk seinen abendlichen Glanz. Dann sinkt sein Nutzen proportional zu der Anzahl der Zeitungen und Zeitschriften, die man abonniert.

Bei den seltener werden Besuchen stellt man dann irgendwann fest, dass die Personen, die sich hier im Hinterzimmer an ihren Plastikbecher Kaffee krallen, genauso abgerockt wirken wie die Gummidichtung am Cola-Kühlschrank. Angewidert vom eigenen Mitleid hält man einen Plausch mit den Betreibern und wünscht ihnen doch insgeheim ein besseres Leben, vor allem einen netteren Kundenstamm und ein einträglicheres Geschäft.

Schön also, dass man mit Herrn und Frau Khakban seit dem 13. März dieses Jahres kein heimliches Mitleid mehr haben muss, sondern eher ihren Mut und ihre Initiative bewundern kann. Zwanzig Jahre lang betrieb das Paar an der Weserstraße in Neukölln einen Kiosk. Nun haben sie in den gleichen Räumen etwas ganz anderes gewagt, nämlich ein Café eröffnet, das nach dem Komplettumbau selbst für Neu-Neuköllner Verhältnisse recht edel wirkt.

Ritorno heißt das Lokal. Ein sprechender Name. Erstens, man ist zurück. Zweitens, man hält es italienisch. Hosni und Ahmad Khakban sitzen an einem Sonntagabend im Ritorno. Würden sie Geld bekommen für jedes Mal, das ihnen ein Passant zuwinkt, wären sie reiche Leute. Diese brotlose Freundlichkeit hat für den Gast dennoch etwas ähnlich Beruhigendes wie die französischen Chansons, die im Hintergrund spielen. Auch wenn der Laden nicht knallvoll ist, fühlt man sich beim Wein vom Fass gut aufgehoben wie bei alten Freunden. Statt neben dem Lottotisch sitzt man nun an einer leicht futuristisch wirkenden Theke. Der dunkle Boden und das simple Mobiliar strahlen Gemütlichkeit aus, ohne bieder zu sein. Rotes Licht lässt die Gesichter der Gäste weich erscheinen. Die einfachen, aber angenehmen Hausweine bezieht das Ritorni aus der Gegend um Verona, die Lasagne und Cannelloni vom italienischen Catering. Letzteres könnte noch verbessert werden, perfekt hingegen schmeckt die hausgemachte Auberginenpaste mit frischem Weißbrot, die hervorragend zum Wein passt.

Ein mehrgängiges Essen wird man auch in Neukölln eher anderswo finden, einen geselligen, gelungenen Abend wird man hier aber sicher verbringen. Schaut man aus der großen Fensterfront des Lokals, sieht man aus der Kaschemme gegenüber die Jägermeister-Leuchtreklame blinken. So sah an der Weserstraße lange die klassische Kiezkneipe aus. Schön also, dass es nun das Ritorno gibt. Eine angenehme Veränderung, für alle Seiten.

CAFÈ UND WEINBAR RITORNO, Weserstr. 7–8, 12047 Berlin, (0 30) 6 23 91 16, tägl. ab 10.30 Uhr, Neukölln, U-Bahn Hermannplatz, Cola 2 €, Weine ab 1,80 €, Latte macchiato 2,50 €, freitags lateinamerikanische Musik, Kulturprogramm ist geplant

Zuletzt in der taz besprochen:

Teigwaren, Oderberger Straße 41, teilweise bio. Natalie Tenberg: „Hervorragende Ravioli.“Ishin Japanese Deli, Mittelstraße. Natalie Tenberg: „Zum Lunch.“Der Kuchenladen, Kantstr. 138. Charlottenburg. Natalie Tenberg: „Ein wunderbarer Rhabarberstreusel.“