Gutes Gefühl für 2006

Michael Greis gewinnt auf der olympischen Biathlonanlage sein erstes Weltcuprennen

CESANA taz ■ []Kein Wölkchen trübte den blauen Himmel über dem italienischen Alpenort Cesana, die Aussicht auf umliegende Gipfel und Täler war grandios, aber die Wahrnehmung des Biathleten Michael Greis war dennoch ein wenig vernebelt. „Super-Wetter, Super-Strecke, Super-Bedingungen“, schwärmte Greis am Mittwoch beim Weltcup-Auftakt auf der Olympiaanlage von 2006, und zumindest, was die Bedingungen angeht, wird er auf heftigen Protest seiner Teamkollegen stoßen.

„Mit dem Umfeld bin ich gar nicht zufrieden“, schimpfte Bundestrainer Frank Ullrich, „in unserer Unterkunft wird nicht richtig geheizt, bei den Technikern hat es null Grad im Zimmer.“ Und überhaupt sei die Generalprobe für die Spiele in einem Jahr nur „oberflächlich vorbereitet“. Was Michael Greis dann bei der Siegerehrung auch merkte: „Die war etwas provisorisch, sag ich mal.“ Aber im Grunde focht ihn auch das nicht an, er schwelgte im Hochgefühl seines ersten Weltcup-Sieges: Dank eines fehlerfreien Schießens gewann er in 53:18,7 Minuten das Einzelrennen über 20 Kilometer vor den Russen Sergej Tschepikow, Sergej Rotschkow und Iwan Tscheressow. Weil auf Platz fünf schon Sven Fischer (Oberhof) folgte und auf Platz acht Ricco Groß (Ruhpolding), fiel zumindest Ullrichs sportliche Bilanz positiv aus: „Generell waren die Leistungen sehr gut“, das Ergebnis von Michael Greis fand er gar „fantastisch“. Der 28 Jahre alte Sportsoldat aus dem Allgäu war bislang ja eher als Sprintspezialist bekannt. Auf der kurzen Distanz hat er seine besten Weltcup-Ergebnisse eingefahren, insgesamt drei zweite Plätze. Dass er nun ausgerechnet auf der langen Strecke vorne lag, erklärte er mit der normalen Entwicklung eines Leistungssportlers: „Im Schießen bin ich früher nicht abgeklärt genug gewesen.“ In Cesana habe er sich ganz auf diesen Teil des Zweikampfs konzentriert, „läuferisch habe ich nur geschaut, dass ich jemanden finde, mit dem ich mitlaufen kann“. Das war offensichtlich das richtige Konzept, wie Ricco Groß bestätigte, der wie Fischer einmal daneben schoss: „19 Treffer sind nicht übel, aber heute musste man schon alles treffen.“ Die Erfahrung machte auch Sergej Tschepikow, der mit seinen 38 Jahren immer noch die beste Laufzeit hinlegte; eine Strafminute kostete ihn den Sieg.

Sven Fischer bleibt nach seiner guten Platzierung Dritter im Gesamt-Weltcup, Ricco Groß Vierter. Dahinter folgt nun Sergej Tschepikow. Der hat in seiner langen Laufbahn schon viele Loipen gesehen, und von der in Cesana war er ganz angetan: „Sehr hart, aber auch sehr interessant“, urteilte er, und das war die allgemeine Meinung nach dem ersten Olympiatest. Der Russe Wladimir Smirnow, Renndirektor des Biathlon-Weltverbandes IBU, sagte über die Strecke: „Es gibt keine Phasen, wo man sich ausruhen und einfach abfahren kann. Sie ist sehr abwechslungsreich, man muss immer arbeiten.“ Frank Ullrich fand die Loipe „sehr anspruchsvoll und kurvenreich“, Ricco Groß die ganze Anlage „auf alle Fälle sehr schön“, weil auch der Schießstand ziemlich windgeschützt ist. Überhaupt ist der Bau des Biathlon-Stadions am weitesten fortgeschritten von allen Olympia-Anlagen, die in den Bergen über Turin errichtet werden. Auszusetzen gab es jedenfalls wenig und nichts, was sich nicht bis nächstes Jahr beheben lässt. Wenn es nach Michael Greis geht, muss sich gar nichts ändern: „Es ist zwar noch lange hin“, sagte er, „aber für Olympia nehme ich ein gutes Gefühl mit.“ Und das konnte nichts beeinträchtigen. JOACHIM MÖLTER