Niebaum wird sachlich

Der ehemalige Präsident der hoch verschuldeten Borussia aus Dortmund tritt endlich auch als Geschäftsführer zurück. Der Zwangsausschluss von der Börse droht dem Verein dennoch

VON FRANK KETTERER

In schweren Zeiten empfiehlt es sich, bisweilen die Beine ein wenig baumeln zu lassen, und die Seele gleich mit dazu. Also hatte sich Gerd Niebaum, einer von zwei Geschäftsführern von Borussia Dortmund, letztes Wochenende aufgemacht ins mondäne St. Moritz und eben nicht in Richtung Hannover, wo die Balltreter der hoch verschuldeten Kommanditgesellschaft auf Aktien ihrer wochenendlichen Arbeit nachzugehen hatten. Schade eigentlich, denn damit hat Niebaum nicht nur den hübschen 3:1-Sieg der Borussia verpasst, sondern auch den wütenden Protest der Dortmunder Fans. Rund 1.000 von ihnen waren gemeinsam Richtung Stadion gezogen, und was sie dabei lautstark forderten, war nichts weniger als: Niebaums Kopf.

Man wird dem Herrn Geschäftsführer solcherlei Ungehörigkeit nach seiner Rückkehr aus der winterlichen Schweiz ganz bestimmt zugetragen haben. Dass es das Häuflein Fans war, das den 56-Jährigen gestern zum Rücktritt bewog, darf allerdings nicht vermutet werden. Auch die eilig verschickte Presseerklärung des Vereins brachte wenig Erhellendes; dass Niebaum seinen Rücktritt dort als „Beitrag zur Versachlichung der Situation“ darstellen durfte, kann getrost als das in solchen Fällen übliche Blabla dargestellt werden. Und nicht wenig zynisch mutet es an, wenn BVB-Präsident Reinhard Rauball seinem seit gestern ehemaligen Geschäftsführer nachruft: „Die großen Erfolge der 90er-Jahre werden auch weiterhin mit seinem Namen verbunden bleiben.“

Zwar gewann die Borussia unter der Ägide Niebaums in der Tat drei deutsche Meisterschaften sowie die Champions League, wesentlich länger als die Freude darüber werden allerdings die Auswirkungen des finanziellen Harakiri nachwirken, das in dieser Zeit betrieben wurde. 18 Jahre lang war der Jurist Präsident der einst so stolzen Borussia, als er letzten November zurücktrat und Nachfolger Rauball das unbestellte Feld überließ, hatte der Verein einen Schuldenberg von 119 Millionen Euro aufgetürmt. Am bis dato gut dotierten Posten des Geschäftsführers festhalten wollte Niebaum freilich weiterhin, „aus moralischen Gründen“, wie er wissen ließ.

Was die Aktionäre des einzigen börsennotierten deutschen Fußballvereins von der Moral des 56-Jährigen halten, ist nicht weiter aktenkundig; bekannt ist allerdings, dass sie in erster Linie ihm den wirtschaftlichen Niedergang ihres Vereins anlasten – und erst in zweiter seinem Geschäftsführer-Kollegen Michael Meier. Und immer öfter trug es sich zu, dass potenzielle Sponsoren oder Aktionäre ein angedachtes finanzielles Engagement bei Borussia an den totalen Ausstieg Niebaums koppelten. Zufall oder nicht: Erst am Dienstag berichtete Bild von angeblich 110 Millionen Euro, die die Düsseldorfer Großbank WestLB dem Verein als sofortige Finanzhilfe für den Rückkauf der veräußerten Anteile am Westfalenstadion leihen wolle. Bedingung: Niebaums Amtsaufgabe. Auch der Finanzmakler Stephen Schechter, der mit der Borussia schon seit einiger Zeit über eine eventuelle Millionenanleihe zur Rettung des Klubs verhandelte, soll sich zuletzt geweigert haben, mit dem Geschäftsführer-Doppel Niebaum/Meier über geschäftliche Dinge zu reden.

Auch wenn Michael Meier (zumindest vorerst) im Amt des Geschäftsführers bleibt – seine ebenfalls angebotene Demission lehnte Präsident Rauball jedenfalls ab –, so könnte sich durch den Rücktritt Niebaums nun doch die ein oder andere Option auf eine lebenserhaltende Finanzspritze für die Borussia auftun. Dass der Patient damit das Gröbste schon hinter sich hat, steht nicht zu erwarten, das nächste Ungemach steht ante portas: Wie die Financial Times Deutschland in ihrer gestrigen Ausgabe berichtete, droht der Borussia nun sogar der Zwangsausschluss von der Börse. Grund: Der Verein hatte bei seinem Börsengang im Oktober 2000 verschwiegen, Markenrechte an seinem Vereinsnamen an den Kölner Versicherungskonzern Gerling verpfändet zu haben. „Uns ist damit der letzte Stolz genommen worden“, sagt Reinhard Beck, der Vorsitzende der neu gegründeten Fan-Abteilung im BVB. Am Samstag wollen sie deshalb wieder demonstrieren gehen. Auch ohne Gerd Niebaum.