KOPENHAGEN – MUTIGE SOZIALDEMOKRATEN VERZWEIFELT GESUCHT
: Kartoffeln für Dänemark

Anders Fogh Rasmussen hat die Wahlen in Dänemark für sich entscheiden können, weil er das überzeugendste sozialpolitische Programm hatte – das haben Wähleranalysen ergeben. So sind die Sozialdemokraten ausgerechnet an dem Minimalstaatsanhänger Rasmussen gescheitert. Der hatte sich als Retter des Wohlfahrtsstaats präsentiert, indem er einen Reformstopp für die gesamte Legislaturperiode bis 2009 ankündigte. Da hatten es die Sozialdemokraten aber auch schwer.

Allerdings – die gesammelte sozioökonomische Kompetenz ist sich einig: Auch wenn im Moment die Kennzahlen noch stimmen, so muss die nächste Reformetappe jetzt einsetzen. Sonst droht dem steuerfinanzierten dänischen Sozialstaat – angesichts eines vorhersehbaren Defizits – die Luft auszugehen. In einer solchen Lage würde der von der Regierung Rasmussen eingeschlagene Reformstopp trotz aller Wahlversprechen natürlich zum Ab- und Umbau zwingen, was durchaus auch gewollt wäre. Mit ihrem 2001 eingeleiteten Systemwechsel soll aus dem Staatsbürger mit Rechtsanspruch ein Kunde auf dem Markt der Sozialleistungen gemacht werden. Mit gleichzeitig gesenkten Steuern geht das jedenfalls für die ganz gut, deren Geldbeutel ausreichend gefüllt ist.

Die Scheu der Sozialdemokraten, ihrer Klientel so unverblümt deutlich zu machen, wohin die Reise von Rasmussen eigentlich geht, hat mit dem Fehlen eigener Alternativrezepte zu tun. Dänemarks Sozialdemokraten haben ihre „Hartz IV“-Erfahrung hinter sich. Das war in den Neunzigerjahren und hieß „Kartoffelkur“. Ein Reformpaket, das zumindest die tragenden Balken der sozialen Sicherung intakt ließ. Die DänInnen sehen sich selbst als das glücklichste Volk der Welt, auch weil sie bisher auf ihre soziale Sicherheit vertrauen konnten. Die „Kräfte des Markts“, auf die Rasmussen setzt, werden diese für viele mehr und mehr aushöhlen. Die Alternative zu einer Machtübernahme des Marktprinzips in Kernbereichen der Sozialpolitik könnte eine „Kartoffelkur II“ sein. Und die würde mit Sicherheit unpopulär. Mutige Sozialdemokraten sind gefragt. REINHARD WOLFF