Kopftuch-Mord nicht wegen Kopftuch

Es gibt laut Polizei keine Anzeichen dafür, dass eine Berliner Türkin ermordet wurde, weil sie zu selbstständig lebte

BERLIN taz ■ Im Fall der am Montagabend in Berlin getöteten 23-Jährigen Hatun S. hatte die Polizei gestern noch keine heiße Spur. Die Mutter eines fünfjährigen Jungen war am Montag gegen 21 Uhr an einer Bushaltestelle erschossen worden.

Die Obduktion hat laut Polizei ergeben, dass die junge Deutsche türkischer Herkunft durch mehrere Schüsse in den Oberkörper getötet wurde. „Man kann von einer Art Hinrichtung sprechen“, so ein Ermittler zur taz. Die Darstellung einer Boulevardzeitung, die einen Text mit „Ermordet, weil sie ihr Kopftuch wegwarf“ betitelte, bezeichnete der Beamte indes als „Stimmungsmache“. Für eine solche Darstellung gebe es zurzeit keine Anhaltspunkte. Auch habe es in der Familie von Hatun S. wegen der selbstständigen Lebensweise der jungen Frau „keine bekannten Konflikte“ gegeben.

Nach Darstellung der Polizei war die Frau aktuell mit einem Mann türkischer Herkunft liiert. Dieser sei vernommen worden und gelte nicht als Tatverdächtiger, heißt es. Überprüft würden nun die früheren Freunde des Opfers und ihr Exmann, der in der Türkei leben soll. Ob die Tat im Zusammenhang mit der Ehe steht, die laut Medienberichten eine arrangierte gewesen sein soll, ist noch nicht klar. Da Hatun S. bei der Tat nichts geraubt wurde, geht die Polizei „relativ zwingend von einer Beziehungstat“ aus. Die Frau müsse mit dem Täter zuvor Kontakt gehabt haben. Der Sohn der Türkin wurde inzwischen in ein Kinderheim gebracht.

Die Ermittler bestätigten der taz, dass sich ähnliche Taten in den letzten drei Monaten gehäuft hätten, warnten allerdings auch davor, daraus eine Tendenz abzuleiten. Die Mitarbeiterin einer Kriseneinrichtung für türkische Mädchen sagte, die Angst unter türkisch- und kurdischstämmigen Mädchen, sich gegen eine Zwangsheirat zu wehren, habe zugenommen.

PLU, WS, ACB