schurians runde welten
: Komatrinker vorm Cafe King

„Sie haben gemerkt, dass hinter allem ein Plan steht, eine Logik, und sie haben verstanden, dass jeder von uns Vier sein eigenes Netzwerk hat mit Leuten, die wiederum uns zuarbeiten.“ (Jürgen Klinsmann)

Robert Hoyzer ist überall. Auch in Glasgow. Über dem Pub hängt eine goldene Gans, von der Decke stumme Fernseher. Sie zeigen Nachrichten aus dem Unterhaus, vom Chinaboom und schließlich eine verwackelte Kamerafahrt auf einen Schiedsrichter, hinter ihm steht auf einem Transparent „Lennestadt“. Wir wissen Bescheid: Hoyzer ist schon da, bringt Hohn und Spott über den deutschen Fußball bis ins ferne Schottland. Der Reporter fläzt sich für seinen Bericht dann dreist an einen Bistrotisch vors Cafe King – immerhin traut er sich nicht in die Berliner Zockerhöhle. Den Freitagnachtgesellen sind die Bilder ohnehin egal. Sie haben alle Hände voll zu tun, ihren eigenen Ruf zu ruinieren – Komatrinker treffen auf Schieber, und umgekehrt.

Überhaupt wird im Norden der britischen Insel schnell klar – es sind nicht die USA, die wir Kontinentaleuopäer nachahmen: Die Briten zeigen die Zukunft. Und die ist spielsüchtig, fett und verkatert.

Hinter der Gegengerade an der Eastern Road der Hibernians aus Edinbourgh kann man bemalte Betonwände bepinkeln, Pizza kaufen und – Wetten abschließen. Ladbrokes, eine große Buchmacherkette, unterhält auf dem Stadiongelände einen eigenen Schalter. Wer auf Brechin tippt, bekommt das Neunfache, beim Sieg der Heimelf gibt es das Doppelte. Die Quoten stehen heute gut, die Zuschauer bleiben gelassen. Nur wenn ein Außenläufer der Gegentribüne zu nah kommt, springen sie von ihren Sitzen auf. Und weil das alle tun, sehen sie dann eher weniger als mehr. In einem einseitigen Spiel schweift der Blick also auf einen der kahlen Hügel über der Stadt, dazu erklingt das „Hibernian Lullaby“ – mit so viel Schmelz singt das ein Lederjackenmann, dass man heulen will. Bier macht gefühlsduselig.

Erst recht am Abend: Zwei Frauen ziehen sich an den Haaren, ineinander verkrallt stürzen sie eine Treppe hinunter. Betrunkenen wird erst der Pullover angezogen, um sie dann doch durchs Lokal zu schleudern. Blasse Hänflinge lassen zornig ihre Hosen fallen, zeigen ebenfalls eher leicht bekleideten Mädchen wütend ihr nacktes Hinterteil. Hoyzer ist hier nur eine Nebensache, der er doch so geschadet haben soll.

Dass der verschwiemelte Fußballkarrierist nun ausgerechnet in den Medien um Verzeihung winseln muss, denen er einen kapitalen Strich durch ihre Rechnung machte, ist die sadistische Rache am Nestbeschmutzer. Denn was ist schon ein Wettbetrug gegen die Kommentare von Günter Netzer, der ja seine eigene Fernsehware beschwafelt? Was sind Tricks für einen Plasmabildschirm gegen den Auftritt der Nationalelf in der LTU-Arena, einem Stadion, das niemand braucht, außer der profilneurotische Oberbürger und die seinen? Was sind gekaufte Platzverweise, gegen einen Nationaltrainer, der stolz auf seine Firma ist, die sich auch schon um die Vermarktung eines WM-Balles kümmerte? Hoyzer hätte den moralsauren Kollegen eine Gegenfrage stellen sollen: Habe ich jemanden ermordet? CHRISTOPH SCHURIAN