Reform mit Bauchschmerzen

In der Anhörung zur Diätenreform machen Wissenschaftler und Steuer-Experten Druck. Abgeordnete befürchten Einbußen, wollen die bundesweit einmalige Reform aber nächste Woche beschließen

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Die Skepsis war den Abgeordneten deutlich anzusehen, doch der Druck der geladenen Wissenschaftler und Steuer-Fachleute war größer: Mit einer Experten-Anhörung wollte der Hauptausschuss des Landtags gestern noch offene Fragen zur geplanten Diätenreform (siehe Kasten) klären. Alle geladenen Experten, darunter der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität und der Frankfurter Steuerrechtler Joachim Wieland unterstützten die bundesweit einzigartige Reform. Vertreter der CDU nutzten hingegen die Gelegenheit, um über den Verlust bisheriger Privilegien wie steuerfreie Pauschalen und die üppige Altersversorgung zu klagen.

Nur widerwillig nahmen viele Volksvertreter die Analyse der Experten zur Kenntnis, dass die Reform eine steuerliche Gleichbehandlung mit dem Rest der Bevölkerung beinhaltet. Über lange Strecken diskutierte der Hauptausschuss über die steuerliche Absetzbarkeit von Werbe- und Wahlkampfkosten, selbst die Versteuerung von Privatfahrten mit der allen Abgeordneten frei zur Verfügung stehenden Bahncard für Nordrhein-Westfalen als geldwerter Vorteil wurde zum Thema.

Auch das Entsetzen über die künftige Altersversorgung der Politiker war am gestrigen Morgen groß – bisher mussten die Abgeordneten keine eigenen Beiträge zahlen, erhielten aber schon nach acht Jahren im Parlament ab dem sechzigsten Lebensjahr 1.586 Euro. Für jedes weitere Jahr steigt die Pension bis auf 3.605 Euro, die nach zehn Jahren im Landtag sogar schon mit 55 fällig werden. Nach dem Vorschlag zur Diätenreform soll jeder Mandatsträger dagegen monatlich mindestens 1.000 Euro in ein Versorgungswerk einzahlen. „Konservativ gerechnet wollen sie uns im Alter mit 600 Euro im Monat abspeisen“, klagte der Christdemokrat Heinz Hardt. Auch SPD-Fraktionschef Edgar Moron mahnte eine „Fürsorgepflicht“ gegenüber den Parlamentariern an.

Doch die geladenen Fachleute wollten die Bedenken nicht teilen. „Deutschland schaut in diesen Tagen auf Düsseldorf“, warb der Politikwissenschaftler von Alemann für die Diätenreform, die bundesweit Maßstäbe setzen soll. Auch die steuerrechtlichen Zweifel seien vorgeschoben, meinte der Frankfurter Jurist Wieland: „Alle Steuerzahler müssen damit leben, dass nicht alles absetzbar ist.“ Und Georg Lampen, Vorsitzender des nordrhein-westfälischen Bundes der Steuerzahler, der gerade mit einer Volksinitiative Druck für die Diätenreform macht, drohte den Parlamentariern sogar: „Wenn Sie die Initiative wegen ihrer steuerrechtlichen Probleme und Problemchen scheitern lassen wollen, möchte ich sehen, wie sie das den Bürgerinnen und Bürgern erklären.“

Und der Druck zeigte Wirkung: „Die CDU-Landtagsfraktion ist bereit, in der nächsten Fraktionssitzung über die Diätenreform zu beschließen“, erklärte der Christdemokrat Heinz Hardt nur eine Stunde nach Sitzungsende – bisher hatten die Christdemokraten immer laviert und argumentiert, sie wollten keiner „Diätenerhöhung“ zustimmen. Auch SPD-Fraktionschef Moron, der die Reform bisher immer von einer Unterstützung der CDU abhängig gemacht hatte, signalisierte Zustimmung. Gleichzeitig mahnte er aber eine bessere Altersversorgung an – die Beiträge zum Abgeordneten-Versorgungswerk sollen auf 1.500 Euro steigen. Die FDP geht sogar noch einen Schritt weiter, fordert eine private Altersversorgung auch für den Ministerpräsidenten und sein Kabinett. Für den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen, Johannes Remmel, der zusammen mit dem Steuerzahlerbund-Vorsitzenden Lampen seit Jahren für die Reform geworben hatte, ist das ein voller Erfolg. Der Gesetzentwurf müsse noch im Februar verabschiedet werden, fordert er – nur so könne die Regelung zumindest für die Parlamentarier, die im Mai neu in den Landtag einziehen, sofort gelten. „Es macht keinen Sinn, jetzt noch weiter zu zögern“, sagt Remmel: „Nur durch Handlungsfähigkeit sind Politikverdrossenheit und Extremismus wirksam zu bekämpfen.“