Kölner haben Angst vor Wiederausbürgerung

Viele Deutschtürken in der Stadt fürchten um ihre deutsche Staatsbürgerschaft, weil sie auch einen türkischen Pass haben. Turan Özkücük vom Integrationsrat rät ihnen, sich bei den Behörden zu melden, wenn sie sozial gesichert sind

Köln taz ■ „Ich habe ein mulmiges Gefühl im Magen.“ Leyla (Name geändert) hat Angst. Die 47-Jährige lebt seit 15 Jahren in Köln und gehört zu den bundesweit rund 50.000 Deutschtürken, die nach dem Jahr 2000 erneut die türkische Staatsbürgerschaft angenommen haben – und deshalb, wie jetzt bekannt wurde, wohl ihren deutschen Pass verlieren.

„Warum wurde ich damals im Konsulat nicht aufgeklärt? Nie hätte ich gedacht, dass ich etwas Illegales mache, wenn ich wieder die türkische Staatsangehörigkeit annehme“, ärgert sich Leyla, die 1999 die deutsche Staatsangehörigkeit erhielt und kurz darauf ihre türkische Wiedereinbürgerung beantragte. Jetzt weiß sie nicht, was sie tun soll. „Wie können die deutschen Behörden überhaupt herausfinden, wer unrechtmäßig beide Staatsangehörigkeiten besitzt?“ Leyla will erst einmal abwarten.

Turan Özkücük, langjähriger Sozialberater und Mitglied des Kölner Integrationsrates, hält das für keine gute Idee. „Ich rate vorsichtig dazu, sich bei der zuständigen Behörde zu melden, insbesondere dann, wenn die Betroffenen ausreichendes Einkommen und keine weiteren sozialen Probleme haben. Dann können sie als ‚neue‘ Ausländer rechtzeitig eine Aufenthaltserlaubnis bekommen.“

Bei Özkücük melden sich nach den Schreckensmeldungen der letzten Tage viele Kölner Doppelstaatsbürger, denen der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft droht. „Wegen einer Strafverfolgung braucht sich keiner Sorgen zu machen, denn der Erwerb einer weiteren Staatsangehörigkeit ist kein Straftatbestand. Nach den Buchstaben des Gesetzes sind diese Personen noch nicht einmal verpflichtet, ihre weiteren Staatsangehörigkeiten anzumelden“, erklärt er.

Allerdings könne man bei denjenigen Deutschtürken, die ab 2000 die türkische Staatsbürgerschaft beantragt und bekommen haben, „nichts machen“, sagt Özkücük. „Aber für die Gruppe, die den Antrag vor 2000 gestellt und nach 2000 eingebürgert wurde, sollte eine Sonderregelung gefunden werden“, fordert er. Er sieht die Schuld nicht allein bei den Betroffenen. „Viele haben den Versprechungen der rot-grünen Regierung, die Mehrstaatlichkeit gesetzlich zu ermöglichen, vertraut und die Einbürgerung beantragt. Nun sind sie enttäuscht.“

Wie vielen Kölner Deutschtürken der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit droht, kann Özkücük nicht sagen – zumal es auch viele gibt, die völlig legal beide Staatsangehörigkeiten besitzen. Einer von ihnen ist Ahmet (Name geändert). Der 31-Jährige wurde 2003 in Deutschland eingebürgert, von der Türkei aber nie aus der alten Staatsbürgerschaft entlassen, „weil ich meinen Militärdienst nicht geleistet habe“. Für ihn ist die deutsche Staatsbürgerschaft sehr wichtig. „Ich würde nichts tun, was sie gefährden würde“, erklärt der seit 13 Jahren in Köln lebende Deutschtürke.

Auch die türkischstämmige Sozialpädagogin Hatice (Name geändert) hat beide Staatsbürgerschaften. Sie lebt seit rund 25 Jahren in Deutschland und nahm 1996 die deutsche Staatsbürgerschaft an. Die Türkei hatte sie zuvor aus der Staatsbürgerschaft entlassen. Das dachte sie jedenfalls bis zu ihrer letzten Türkeireise. „Ich brauchte in einer Erbschaftsangelegenheit einen Standesregisterauszug. Zu meiner großen Überraschung stellte ich fest, das ich in der Türkei noch immer ausschließlich als türkische Staatsbürgerin registriert bin.“ Sie hofft nun, dass dies keine „illegale Doppelstaatsbürgerschaft“ ist.

Für Leyla ist jedenfalls klar, dass sie notfalls ihre deutsche Wiedereinbürgerung beantragen wird: „Mein Mann und ich sind berufstätig und wir erfüllen noch immer die Voraussetzungen für die Einbürgerung.“ Das dürfte in anderen Fällen schwieriger werden: Was jedoch mit den Deutschtürken passiert, die nach der Einbürgerung erwerbslos geworden sind oder anderweitig soziale Probleme haben, kann zur Zeit niemand genau sagen. Ciler Firtina