„Aufwachen, Herr Dräger!“

Streit um Studiengebühren: Grüne Krista Sager wirft Hamburgs Wissenschaftssenator „unseriöse“ Versprechen vor. Denn Darlehen für Studenten seien weit und breit nicht in Sicht. Dräger: 60 Prozent der Hochschüler hätten Eltern, die zahlen könnten

von Eva Weikert

Es muss ein schwerer Gang für Jörg Dräger gewesen sein: Bewacht von vier Bodyguards stellte sich Hamburgs Wissenschaftssenator am Mittwochabend erstmals den Studierenden, nachdem das Bundesverfassungsgericht auf seine Mitinitiative das Verbot von Studiengebühren gekippt hatte. Obwohl mit der Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Krista Sager, eine Gebührengegnerin neben Dräger auf dem Podium zum Thema „Hochschulen fit machen für morgen“ saß, verlief die wahre Front vor dem Publikum. Mehr als 100 Studierende waren gekommen, um über die Gerechtigkeit der Maut zu streiten und Dräger an sein Versprechen von Massenkrediten zu erinnern. Nach zwei Stunden aggressiver Debatte stand der Senator als Verlierer da.

Im Welt-Wirtschafts-Institut, in das die Landesgrünen geladen hatten, schoben dutzende Polizisten eine Sonderschicht. Obwohl Taschen und Jacken draußen bleiben mussten, gelang es Besuchern Rasseln mitzubringen, mit denen sie Drägers Rede zu stören versuchten. Andere trugen Rettungsringe mit der Aufschrift „Rettet die Bildung!“ oder ein Transparent, auf dem „Autoritäten angreifen – selbstverwaltete Uni jetzt!“ stand.

„Wie man sieht, kann aus zwei Menschen etwas werden, die an keiner teuren Elite-Uni waren“, stichelte Hamburgs Ex-Wissenschaftssenatorin Sager ihren parteilosen Nachfolger, der wie sie an der hiesigen Uni studiert hat. „Man muss sich nur fragen, ob das in diesem Land so bleibt“, giftete sie und plädierte für ein gebührenfreies Erststudium. Gebühren schreckten vor allem sozial Schwache ab, die bereits heute zu selten den Weg an die Unis fänden. Auch sei es in einem föderativen System „völlig unrealistisch“, dass es bei der vom CDU-Senat zugesagten Mautgrenze von 500 Euro bleibe.

Dräger scheute sich nicht einzuräumen, „dass man über eine Weiterentwicklung der Gebühr reden kann, wenn die positiven Effekte wirklich eintreten“. Mit Verweis auf „andere gebührenpflichtige Länder“, wo die Bildungsmobilität höher sei, erklärte er die Abgabe für „sozial gerecht“ und warnte, „Deutschland ist das sozial selektivste Land“. Woraufhin ihn das Publikum belehrte: „Das liegt doch am dreigliedrigen Schulsystem.“

Wer als Akademiker heute gut verdient, könne auch einen Beitrag zur Hochschulfinanzierung leisten, plädierte Dräger einmal mehr für Kredite, die einkommensabhängig zurückzuzahlen sind. Am 17. Februar werde die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein solches Darlehensmodell vorstellen, bei dem die Ausfälle der Staat übernähme.

Das Stichwort KfW, die zu 80 Prozent dem Bund gehört, brachte Sager erst richtig in Rage: In den Ländern, die das Bezahlstudium erstritten haben, sei „keine Gegenfinanzierung für die Studierenden erkennbar, die Länder drücken sich vor dem Risiko.“ Drägers Hinweis auf die KfW sei „unseriös. Es ist absurd, dass die Länder die Gebührenschraube anziehen und der Bund dann da rein zahlt. Das wird er nicht machen.“ Das Publikum johlte: „Was machen wir denn da?“ und „Aufwachen, Herr Dräger!“

Dieser bemühte sich um Glaubwürdigkeit und erklärte, was der Staat bisher für Bafög ausgebe, solle er künftig für ein Darlehenssystem aufwenden. Der nicht zurückzuzahlende Teil des Bafög, das 24 Prozent der Studierenden den Lebensunterhalt sichert, müsse zur Streckung der Kreditsumme genutzt werden. So könnte die Gruppe der Darlehensnehmer auf bis zu 40 Prozent ausgeweitet werden. Auf die Frage eines Studenten nach dem großen Rest erklärte der Senator, „es bleiben 50 bis 60 Prozent, deren Eltern in der Lage sind, das Studium zu finanzieren“ – und erntete wütendes Gelächter.

Der Uni-AStA hat einen „Widerstandsfahrplan“ gegen Studiengebühren: Am 13. April stimmt die Vollversammlung über Protestformen, sprich Streik, ab. Der AStA ruft auch zur 1. Mai- und einer Nord-Demo am 2. Juni in Hamburg auf