Politik bitte nur vorm Parlament

Während des Unistreiks vor einem Jahr protestierten Studierende auch lautstark im Abgeordnetenhaus. Deswegen stand eine 21-Jährige nun vor Gericht. 100 Euro Buße

Seine Meinung äußern, aktiv an demokratischen Prozessen teilnehmen, all dies ist völlig in Ordnung. Im Parlament allerdings endet das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung für den nicht gewählten Bürger. Das musste die 21-jährige Rebecca B. erfahren. Vor einem Jahr vertrat die Studentin lautstark ihre Meinung auf der Zuschauertribüne des Abgeordnetenhauses. Gestern stand sie deshalb vor dem Amtsgericht Tiergarten – wegen „Störung der Tätigkeit eines Verfassungsorgans“, wie es der Paragraf 106 b des Strafgesetzbuches nennt.

Rebecca B. war am 15. Januar 2004 nicht allein zum Abgeordnetenhaus gekommen. Seit gut zwei Monaten befanden sich damals die Studierenden der großen Berliner Unis im Streik. Rund 1.000 Menschen demonstrierten nun vor dem Parlament. Denn drinnen wurde über den von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) vorgestellten Haushaltsentwurf für 2004/2005 diskutiert.

„Wir haben gegen die Kürzungen an der Universität, gegen Studiengebühren und Sozialabbau protestiert“, erklärt die Studentin nun vor Gericht. Mit einer kleinen Gruppe war es ihr gelungen, auf die Zuschauertribüne zu gelangen. Dort riefen die Demonstranten Sprechchöre, entrollten Transparente und warfen Flugzettel in den Saal, als Parlamentspräsident Walter Momper redete.

Damit habe Rebecca B. gegen die am 29. November 2001 erlassene „Anordnung über die Sicherheit und Ordnung im Abgeordnetenhaus von Berlin“ verstoßen, erläutert der Vorsitzende Richter. Diese schreibe vor, dass „im Zuschauerraum Ruhe und Ordnung zu wahren“ sei. Rebecca B. sagt, die Demonstranten seien von Zivilbeamten aus dem Saal „geschleppt“ worden. „Man hat sich direkt auf uns gestürzt, ohne Verwarnung oder Ordnungsaufruf.“ Dies, so der Richter, sei auch nicht notwendig gewesen. Bei Verstößen gegen die Hausordnung sei das Personal befugt, Störer aus den Räumen zu verweisen oder zu „entfernen“. Die Anzeige habe nicht Momper selbst erstattet, sagt dessen Sprecher der taz. Verstöße würden automatisch an die Staatsanwaltschaft weitergegeben.

Aber der Richter zeigt Milde. Gegen 100 Euro Geldbuße stellt er das Verfahren ein. Der Protest im Parlament sei „als Ausübung des Demonstrationsrechtes gedacht“ gewesen, „wenn auch in falscher Weise“. Bei einer Verurteilung hätten der Studentin eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr gedroht. ALEXANDRA RAETZER