ESSEN IN KREUZBERG
: Ein bisschen gruslig

„Menne, ick bin hier beim Thai, wa“

In der Dieffenbachstraße hat ein neuer Thai aufgemacht. Wir setzen uns an ein Tischchen. Direkt daneben hat jemand etwas zur Verschönerung der Umwelt beigetragen und ein kleines von einem Maschendrahtzaun geschütztes Einquadratmeterbiotop angelegt mit einer alten Baumwurzel und nach Gartenerde müffelnder Gartenerde.

Hinter uns brüllt eine blonde Powerfrau auf Berlinerisch ins Handy: „Menne, ick bin hier beim Thai, wa.“ Alle drehen sich um. Aha, diese Frau, illuminiert von einer neongrünen Trainingsjacke, ist also hier beim Thai. Schön ist das nicht. Sie turnschuht zwischen den Tischen und krakeelt munter weiter.

Ein alter Mann schlurft in Superzeitlupe an einem Krückstock an den Tischen entlang, hält die Hand auf und hustet einen schlimmen Raucherhusten, dem man den grünen Kern anhört, der zwischen dem angesammelten Schleim wabert und nach außen drängt. Ein Motz-Verkäufer wünscht uns „noch einen schönen Abend“, der das aber nicht zu werden verspricht, denn von der anderen Seite bahnt sich unüberhörbar der gefürchtete Chabati-Mann seinen Weg. „Dabadadam“ schreit er aus vollem Hals und hält uns das indische, streng riechende Knäckebrot unter die Nase. Das „Dabadadi, dabadadam“ hallt noch lange nach.

„Jetzt fehlt nur noch der Kerzenverkäufer“, sagt meine Freundin, und schon kommt er angeradelt. In zehn Meter Entfernung schließt er sein Fahrrad ab, kommt bis auf fünf Meter an die Tische, schwenkt eine überdimensionierte Kerze, krächzt kaum hörbar ein weder als Frage noch als Aufforderung zu verstehendes „Kerze kaufen“ und dreht auf der Stelle wieder ab, zurück zu seinem Fahrrad, das er wieder aufschließt, um weiterzufahren. „Ist schon ein bisschen gruselig, oder?“, sagt meine Freundin. „From Dusk Till Dawn in Kreuzberg“, sage ich. Dann zahlen wir. KLAUS BITTERMANN