Das Gemeinsam-Werden der Primaten

AFFE UND MENSCH Kann es zwischen Tierwerden oder Menschwerden einen dritten Weg geben? Vorschläge zum Gemeinsam-Werden

Seit 1972 weiß man, dass es nicht gegangen wäre, Menschen mit Affen zu kreuzen

In seinem „Bericht an eine Akademie“ lässt Franz Kafka den Schimpansen Rotpeter erzählen, wie er in Afrika gefangen wurde und damit seine „Menschwerdung“ begann, die für ihn eine Flucht aus dem Käfig in das Showgeschäft bedeutete. Neuerdings hat der Wiener Schriftsteller Robert Menasse in der Zeitschrift Manuskripte (Nr. 179) von einem umgekehrten Fall berichtet. Dabei geht es um das „Tier-Werden“ einiger Amsterdamer Juden, die ein Tierpfleger im Affenhaus des dortigen Zoos während des Hungerwinters 1944/45 vor den Nazis versteckt hatte.

Mit einem Aufsatz im Katalog der gerade zu Ende gegangenen NGBK-Ausstellung „Tier-Werden, Mensch-Werden“ hat nun die Biologin Donna Haraway, gestützt auf die Primatenforschung ihrer Kollegin Barbara Smuts, noch eine dritte Möglichkeit – das „Gemeinsam-Werden“ – ins Auge gefasst. Sie konstatiert, erst durch ein gegenseitiges Kennenlernen könnten sowohl Paviane als auch Mensch ihrer Arbeit nachgehen.

Bei ihren Forschungen interessierte Smuts jedoch nicht mehr die Frage ihres Doktorvaters: „Sind Paviane soziale Wesen?“ Sondern sie fragte sich selbst: „Ist dieses menschliche Wesen sozial?“ Das wurde die Forscherin im selben Maße, in dem sie die Paviankommunikation beherrschte – d. h. indem Affen und Mensch sich gegenseitig „transfizierten“. Der Duisburger Künstler Rainer Maria Matysik schlug eingedenk dieser Möglichkeit in der NGBK-Ausstellung ein „Referendum“ vor: „Für die rechtsgültige Erlaubnis zur Zeugung gemeinsamen Nachwuchses von Menschen und Primaten zur Errichtung einer Fortpflanzungsgemeinschaft“. Zur dafür notwendigen Änderung des „Embryonnenschutzgesetzes“ hat Matysik einen „Volksentscheid“ initiiert, an dem man sich beteiligen kann.

Bislang stand ein solches Anliegen immer unter dem Aspekt der Produktion von Billig-und-willig-Arbeitskräften – einer Art von Biorobotern. Bereits 1717 riet Jean Zimmermann in Paris zur Produktion einer Arbeiterschaft ein „leichtes Mädchen“ von einem Orang-Utan bzw. ein Menschenaffenweibchen von Männern schwängern zu lassen. 1889 schlug der Rassismustheoretiker Georges Vacher de Lapouge in Montpellier vor, durch solche Kreuzungen „gelehrige Arbeiter – Halbmenschen – herzustellen“. Er hielt dies für möglich, denn „der Unterschied zwischen Menschenaffen und Menschen ist geringer als z. B. der zwischen Makaken und Langschwanzaffen. Und diese Affen aus unterschiedlichen Familien haben schon mehrfach erfolgreiche Kreuzungen hervorgebracht.“

1927 versuchten der spätere „Held der Sowjetunion“ Otto Julewitsch Schmidt und sein Institutsleiter Ilja Iwanowitsch Iwanow auf der von ihnen gegründeten Affenforschungsstation in Suchumi/Abchasien tatsächlich, Menschen mit Affen zu kreuzen. Der Versuch misslang: Zwar meldeten sich etliche experimentierfreudige Frauen, aber es gab nur einen männlichen Schimpansen – und der starb, bevor es zum Äußersten kam. Erst seit 1972 weiß man, dass es gar nicht gegangen wäre: Die beiden Arten haben sich zu sehr auseinandergelebt.

Unlängst kam die ZDF-Kultursendung „Aspekte“ noch einmal auf die sowjetischen Affe-Mensch-Kreuzungsexperimente in Suchumi zurück. Ebenso wie dann auch in der Bild-Zeitung war dabei wieder die Rede davon, dass dies geschah, weil Stalin „Untermenschen“ bzw. „Arbeitssklaven“ züchten wollte. Wohingegen die Biologiehistorikerinnen Julia Voss und Margarete Vöhringer in einem Aufsatz über das sowjetische „Darwin-Museum“ in Moskau zu dem Schluss kamen: Bei den Züchtungsexperimenten in Suchumi ging es „um die Schließung des ‚missing link‘ zwischen Mensch und Tier“.

Vernutzt wurden und werden die Tiere eher hier und heute – im Westen: So beherbergt allein das Deutsche Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen 1.300 Affen. Sie dienen der medizinischen Forschung. In der NGBK-Ausstellung hatte der Bildhauer John Isaacs einen solchen erbarmungswürdigen „Laboraffen“ ausgestellt – dem man chirurgisch Hände und Füße von Menschen verpaßte. Daneben hatte der russische Künstler Oleg Kulik ein eher fröhliches Experiment mit Affen durchgeführt: Er motivierte sie zum Bildermalen. Bereits 2007 wurden in London erstmalig drei abstrakte Gemälde von einem Schimpansen namens Congo versteigert – für 21.500 Euro. HELMUT HÖGE