„Dann kamen Autonome, um das Buffet zu klauen“

RÜCKBLICK Den taz-Umzug findet der einstige Setzer Georg Schmitz bis heute phänomenal. Schon ein halbes Jahr später wäre er unmöglich gewesen

■ In den taz-Anfangsjahren war Georg Schmitz Lesern als „Säzzer“ bekannt, weil er Kommentare in Texte einfügte, die er abtippen musste. Heute arbeitet der 56-Jährige in der Abo-Abteilung.

taz: Georg, du bist seit 30 Jahren bei der taz. Warst du auch im Juni 1989 beim Umzug in die Kochstraße dabei?

Georg Schmitz: Sowohl beim Umzug als auch beim Einweihungsfest. Da tauchten etliche Autonome auf, um das Buffet zu klauen.

Ist es ihnen gelungen?

Die haben angefangen, mit dem Buffet rumzuwerfen.

Wollten die die taz nicht in Kreuzberg haben?

Für viele Autonome war – und ist es vielleicht auch noch – die taz ein Verräterblatt. Schon die Redaktion in der Wattstraße war mehrfach besetzt worden, um den Abdruck von Erklärungen zu diesem und jenem zu verlangen.

War der Umzug auch in der taz-Belegschaft umstritten?

Das habe ich nicht mitbekommen. Es gab einfach ein Platzproblem: Wir konnten in der Wattstraße nicht mehr all die Leute unterbringen.

In der Kochstraße arbeitete die taz dann in Sichtweite zum Spinger-Verlag. War dir das wichtig?

Man hatte jeden Tag vor Augen, warum wir die taz machen.

Welchen Eindruck hat das Haus auf dich gemacht, als du das erste Mal hier warst?

Es war beeindruckend. An der Straße stand nur der Altbau des taz-Hauses. Und es war faszinierend, die Gegend hier zu sehen, die vor dem Mauerfall menschenleer wirkte. Es gab nur Touristen am Checkpoint Charlie.

Daran hat sich wenig geändert.

Ja. Ich glaube, der Senat beißt sich in den Hintern, dass er den Grenzübergang nicht erhalten hat. In Amerika gibt es Wildweststädte, in denen einmal die Woche Indianerüberfall im Saloon gespielt wird. Hier hätte man was Ähnliches aufziehen können.

Hat die Nähe zur Mauer die Arbeit der taz geprägt?

Auf jeden Fall, als die Mauer ein halbes Jahr nach dem Umzug gefallen ist. Was auch immer unseren Geschäftsführer Kalle Ruch bewogen hat, diese Immobilie zu kaufen, es war phänomenal. Nach dem Mauerfall hätten wir die nicht mehr bekommen können. Und wir würden wahrscheinlich immer noch in der Wattstraße sitzen.

Was war dort anders?

Alles war auf einer Etage, auf einer Ebene. Egal ob Kommunikation gewollt oder ungewollt war, man sah sich einfach. Vieles lief über so einen Experimentalstil. Vieles war unklar. Die taz-Gründer mussten sich aneinander reiben. Wir wären verloren gewesen, wenn wir gleich in ein so großes Haus gezogen wären.

Heute sind Redaktion und Verlag auf sechs Etagen verteilt. Wie hat das die Zusammenarbeit verändert?

Man muss hinter den Leuten herlaufen, muss sich präsent machen. Man kann monatelang in der zweiten Etage arbeiten, ohne von den Kollegen in der dritten etwas mitzubekommen. Ich denke, viele können sich gar nicht vorstellen, die Abläufe zu hinterfragen, weil es eine gut funktionierende Maschinerie gibt.

Das könnte man Professionalität nennen.

Ja. Das finde ich auch gut. Das Experimentelle hat viele Vorteile, aber man kann das Rad nicht jeden Tag neu erfinden.

Hat es für dich heute eine Bedeutung, im historischen Zeitungsviertel zu arbeiten?

Eigentlich nicht.

Und vor 20 Jahren?

Ich wohnte damals in Moabit. Ob ich da nach Wedding zur Wattstraße oder durch den Tiergarten in die Kochstraße geradelt bin, war egal. Das war kein großer Umweg. INTERVIEW: GEREON ASMUTH