Englisch & irisch

1917 wird Leonora Carrington in Chorley, einer Kleinstadt in der nordenglischen Grafschaft Lancashire, geboren, als Tochter eines erzkatholischen Textilfabrikanten und einer irischen Hausfrau. Das rebellische Mädchen sucht früh Zuflucht vor der väterlichen Strenge in keltischen Mythenwelten und Göttersagen, ihr Sinn für das Fantastische und Absurde wird durch Lektüren von Lewis Carroll und Jonathan Swift geschärft. Nach diversen Internatsversuchen lässt der Vater die 19-Jährige zum Kunststudium nach London und Paris gehen.

In London beginnt sie eine heftige Liaison mit dem mehr als doppelt so alten Max Ernst. Trotz aller Proteste ihres Vaters, der schließlich sogar Prozesse gegen die „pornografische Schmiererei“ Ernsts anstrengt. 1938 heiraten die beiden. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wird Max Ernst als „feindlicher Ausländer“ interniert. Zusammen mit anderen organisiert Leonora Carrington seine Freilassung; eine erneute Verhaftung 1940 des Geliebten stürzt sie in eine schwere Krise. Die Eltern lassen sie in Spanien in eine Nervenklinik einweisen; diese Höllenfahrt beschreibt sie in ihrem bestürzenden Bericht „Unten“, der 1945 erscheint. 1942 gelangt sie über New York nach Mexiko. Dort bildet sie mit der Spanierin Remedios Varo und der bretonischen Malerin Alice Rahon das weibliche Dreigestirn des europäischen Surrealismus.

„A strange place“ sei von Anfang an die Wahlheimat gewesen . Noch nach sechzig Jahren will ihr Spanisch nicht fließend über die Lippen. Nach dem Krieg hatte sie eigentlich zurück nach Paris gewollt. Es sollte anders kommen, 1946 verliebte sie sich in den jungen ungarischen Fotografen Fotografen Emerico (Chiki) Weisz, bekam mit ihm zwei Söhne – und blieb: „I don’t mind being a foreigner.“ Im Oktober 1968 allerdings verließ sie aus Protest gegen das Massaker an demonstrierenden Studenten vorübergehend das Land.

Doch Mexiko bleibt ein Außen, das nicht in ihr Innerstes („halb englisch, halb irisch“) dringt. Nachdem sie in den Achtzigerjahren zwischen New York und Chicago pendelte, lebt sie nun wieder fest in Mexiko. Dass Leonora Carrington sich hier bei aller Fremdheit „sofort aufgenommen“ fühlte, habe vor allem mit diesem „unglaublichen Gespür für Wahrnehmung“ zu tun, die Empfänglichkeit für Bilder, die „direkt das Unterbewusstsein ansprechen“. AH