Hüftschwung und Wiegeschritt

Tanzen wie ein Popstar ist in bei Jugendlichen. Aber auch viele Ältere zieht es aufs Parkett. Egal ob Walzer, Videodancing, Tango oder Freestyle – Tanzen macht fit, froh und kreativ. Es schult das Gedächtnis, stärkt Herz wie Kreislauf und kräftigt die Muskeln

VON MARTINA JANNING

Für Tara ist er „das Beste überhaupt“. Nicht nur, weil die Statur keine Rolle spielt. Im Gegenteil machen gerade leicht Füllige eine gute Figur. „Bauchtanz hält jung, elastisch und macht fröhlich“, schwärmt die Enddreißigerin und Mutter dreier Söhne. Die beste Werbung für ihre Bauchtanzkurse sei sie selbst. Stimmt, die Geburtstage und Geburten sieht man ihr kaum an. Das Besondere am Bauchtanz? „Die Bewegungen sind nicht so extrem wie beim Ballett, aber sie beanspruchen jede Muskelgruppe. Zusätzlich vertieft Bauchtanz die Atmung und ist ein gutes Konditionstraining.“ Er hat sich als Geburtsvorbereitung bewährt und gilt auch als „Fruchtbarkeitstanz“. „Bauchtanz lockert und fördert die Durchblutung, das kommt mancher ungewollt Kinderlosen zugute“, erklärt Tara.

Aber auch harte Kerle profitieren von den weichen, schwingenden Bewegungen. Die trainieren nämlich den Beckenboden – eine vorzügliche Vorbeugung gegen Blasenschwäche und Erektionsstörungen. Die meisten Männer gelangen jedoch zum Bauchtanz, „weil sie auf Partys besser aussehen wollen“, weiß Tara aus ihrem Kursen beim schwullesbischen Sportverein „Vorspiel“ in Berlin. Das trifft übrigens nicht nur auf Schwule zu. Bei Vorspiel dürfen auch Heteros mittun.

Tanzen ist zwar noch immer in erster Linie Frauensache. Viele Männer sehen lieber, wie Ailton mit dem Fußball tanzt, statt sich selbst auf der Tanzfläche zum „Körperklaus“ zu machen. Aber zunehmend finden auch Männer den Weg in Tanzschulen. „Besonders nach der aktiven Elternphase kehren viele Paare aufs Parkett zurück“, sagt Michael Meiners, Pressesprecher beim Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV). „Tanzen bietet ein gemeinsames Hobby, trägt zur Kommunikation in der Partnerschaft bei und erleichtert Kontakte zu anderen Paaren.“

Ein regelrechtes Tanzfieber beobachten die Studios bei Jugendlichen. Sie wollten sich genauso effektvoll in Szene setzen wie die Popstars in den Videoclips, berichtet Meiners. Zählte der ADTV 2003 rund 80.000 Teilnehmer in seinen speziellen Dance-4-Fans-Kursen, waren es im vergangenen Jahr schon knapp 200.000 Jungen und Mädchen, die Hip-Hop, Breakdance oder Videoclipdancing übten.

Die klassische Tanzstunde ist dabei keineswegs aus der Mode gekommen. Cha-Cha-Cha, Samba, Rumba, Tango, Foxtrott – das Rüstzeug fürs gesellschaftliche Parkett lernen die meisten nach wie vor mit 14 bis 16 Jahren. Freilich müssen viele Hüftschwünge und Wiegeschritte später aufgefrischt werden. Wie ging noch mal Wiener Walzer? Eine typische Frage vor der Hochzeit, die viele Paare schnell noch einen Wochenendkurs in einer Tanzschule buchen lässt.

Ob Standard, Lateinamerikanisch oder Freestyle – wenn einem Tanzen Spaß macht, ist es gesundheitlich sehr wertvoll, urteilt Jürgen Steinacker, Leiter der Abteilung Sport- und Rehabilitation der Universität Ulm. „Die Bewegungen sind auch für ältere Menschen gut verträglich.“ Der Sportmediziner und Kardiologe setzt Tanzen in der Behandlung von Herzpatienten ein. Der Rhythmus der Musik helfe, vergessene Bewegungsmuster aufzufrischen und überkommende aufzubrechen.

Tanzen ist ein idealer Ausgleich, vor allem für Menschen, die im Job viel sitzen müssen. Die Gelenke werden gelockert und geschmiert, Sehnen und Bänder gedehnt. Steinacker: „Besonders die Rotationsbewegungen beim Tanzen sind gut für den Rücken.“ Schon nach kurzer Zeit verbessern sich Haltung und Körpergefühl – Tänzer hantieren geschickter und gelenkiger. Die Bewegungen schulen Balance wie Feinmotorik und kräftigen die Muskeln. Das schafft Selbstvertrauen, macht zufrieden und sogar froh. Denn beim Tanzen schüttet das Gehirn auch mehr des Glückshormons Endorphin aus. Es bremst das Entstehen von Stresshormonen; die Bewegung baut gleichzeitig im Blut vorhandene ab – eine prima Stärkung fürs Immunsystem.

Mit einer Pulsfrequenz von 120 bis 150 ist Tanzen auch ein ideales Training für Herz und Kreislauf. Es senkt das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Sauerstoffgehalt des Blutes steigt, das Herz pumpt schneller. Ferner wird die Atmung tiefer und gleichmäßiger – nicht nur für Asthmatiker ein Pluspunkt. Natürlich baut Tanzen auch Fett ab: Bei einer Stunde Foxtrott verbrennt der Körper etwa 300, bei Walzer 350 und bei Rock ’n’ Roll sogar 600 Kalorien. Zum Vergleich: Eine 100-Gramm-Tafel Zartbitterschokolade hat rund 500 Kalorien.

Was viele nicht wissen: Tanzen trainiert auch den Geist. Das Lernen von Schrittkombinationen und Figurenfolgen im Einklang mit der Musik schult das Gedächtnis und fördert Kreativität. Eine niederländische Studie zeigte sogar, dass Tanzen wirksame Vorsorge gegen Demenz ist. Apropos Kopf: Schäden durch Headbanging sind nicht bekannt. „Wenn es dem Körper zu viel wird, hört der Tänzer schon von selbst auf“, weiß Axel Panzer, Kinderneurologe an den DRK-Kliniken Westend in Berlin. „Sonst wird ihm nämlich schlecht.“

Bauchtanzkurse für Männer und Frauen: www.vorspiel-berlin.de. Tanzschulen in der Nähe: www.tanzen.de