Friede, Freunde, Eierkuche

Exklusiv in der taz: Der unveröffentlichte Auszug aus „Friede Springer – Die Biographie“ über Friedes erste Begegnung mit dem Filmhändler Leo K. – angeblich zugespielt aus Inge Kloepfers Papierkorb

(…) Die Anzeige in der Welt am Sonntag, die das Leben der Verlegerfreundin Friede Riewerts abermals hätte verändern können, war leicht zu übersehen. Ein Kino in einem Weiler bei Würzburg, stand dort geschrieben, zeige einen ganz besonderen Film aus Italien. „La Strada“. Aber auf Deutsch. Der Gärtnerstochter von der Insel Föhr, die nun schon geraume Zeit als Kindermädchen im Hause des Verlegers Axel Springer anstellig war und noch nicht ahnte, wie bald sie dessen fünfte Ehefrau werden sollte, war die Anzeige im Winter 1958 sofort aufgefallen.

Der Verleger führte sie zwar schon gelegentlich aus ins Kino, doch war das ein für Friede unerquickliches Unterfangen. Denn Springer klagte immer wieder über seine „restless legs“, um mit seiner jungen Freundin vorzeitig aus dem Kinosaal zu verschwinden. Meist nahm sie es hin, nur einmal zog sie die Augenbrauen hoch, weil sie den Film gern zu Ende gesehen hätte.

Bei „La Strada“ sollte dies nicht wieder passieren. Friede ging allein ins Kino. Der Verleger war sowieso gerade in Moskau, um Nikita Chruschtschow seinen Plan von der Wiedervereinigung Deutschlands vorzulegen.

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Für Würzburger Verhältnisse war es sehr warm an jenem Tag im Januar, an dem sich Friede auf den Weg ins Kino machte, um den Film zu sehen. Sie fönte ihre schulterlangen blonden Haare zu einer Außenrolle, die ihr ein mondänes Aussehen gab, zog ihr strenges graues Kostüm an mit einem dunkelgrünen Pullover darunter und stand gegen 16 Uhr vor dem dörflichen Lichtspieltheater. Das Kino war zu dieser frühen Zeit kaum besucht. „Parkett oder Loge?“ Friede ließ sich von der redseligen Billetverkäuferin die besten Plätze empfehlen. Schnell verlor sie ihre Scheu, redete drauflos, erst in kurzen knappen Sätzen, doch bald waren Nervosität und Befangenheit in Anwesenheit der einfachen Frau verflogen, die so unerwartet unkompliziert, fast herzlich zu ihr war.

Mitten im Gespräch hielt die Billetverkäuferin inne und blickte zum Eingang. Friede sah, dass dort unbewegt ein Herr stand. Einen Moment lang war es still im Foyer. Friede fragte sich, wie lange er da schon gestanden und das Gespräch verfolgt haben mochte. In seiner Strickjacke und dem türkisfarbenen Strickschlips, der zu seinen dicken gestrickten Strümpfen in der gleichen Farbe paßte, erschien er Friede ungeheuer schick, wenn auch für das gut geheizte Kino ein bißchen zu warm angezogen. O Gott, dachte sie, als sie bemerkte, daß die dickbestrumpften Füße auch noch in Lackschuhen steckten, muss das heiß sein. „Ach, der Herr Kirch schon wieder!“ sagte die Kartenfrau.

Der Mann kam mit leicht schlenderndem Gang auf sie zu. Ein Schauer lief durch Friedes Körper. Unwillkürlich streckte sie die Hand aus, um ihn zu begrüßen. „Ich bin der Leo“, sagt er und taxierte sie, von oben bis unten und wieder bis oben, so dass mit einemmal ihre Befangenheit zurückkehrte. Aber da war er schon mit ein paar langen Schritten an der apfelgrüngetünchten Tür zum Kinosaal angelangt. Dort blieb er unvermittelt stehen, als habe er etwas wichtiges vergessen, und drehte sich um. Sein Blick fiel noch einmal auf die blonde junge Frau, er schaute sie an, eine Sekunde oder auch zwei – jedenfalls ein bißchen zu lange und zu durchdringend, als daß es sie nicht merkwürdig berührt hätte. Diesen Blick würde sie in ihrem Leben nie mehr vergessen. Dann kam er zurück – und kaufte zwei Logenkarten …

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Nach der Vorstellung schwang sich Kirch auf sein Fahrrad und entschwand. Er ließ sie zurück, verwirrt und aufgeregt. Nachdenklich machte sie sich auf den Heimweg. Zumindest das hatte er erreicht. Weiter aber war der spätere Medienmogul auf seinem Feldzug, das Herz der Friesin zu erobern, an diesem Nachmittag nahe Würzburg nicht gekommen – und würde es nie.

Friede aber bewahrte alles in ihrem Herzen und schwieg. Sie merkte sich viel und behielt wichtige Details – bis heute.

Zurück in Hamburg war auch der Verleger aus Moskau wiedergekehrt. Schlecht gelaunt verbrachten sie den Rest des Abends in den bequemen Fauteuils der großräumigen Suite, bis der Verleger plötzlich ein kleines, mit Samt bezogenes Kästchen aus der Tasche zog.

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Gerade einmal vier Leute begaben sich am 20. Januar 1958 ins Standesamt von Berlin-Charlottenburg. Als Trauzeugen hatte Springer seine Chefredakteure Ernst Cramer und Claus Dieter Nagel mitgebracht. Zehn Minuten dauerte der Akt, in dem sich der Verleger und Friede das Jawort gaben. Im Anschluss kehrten Cramer und Nagel an ihre Schreibtische im Springer-Hochhaus zurück. Friede und Axel fuhren nach Schwanenwerder in ihre Villa, der sie den Namen „Tranquillitati“, „der Ruhe gewidmet“, gegeben hatten. Früher hatte hier, auf Schwanenwerder, auch Goebbels gewohnt. (…)

HINWEIS: Nach taz-Recherche kann die hier behauptete Schilderung überhaupt nicht stimmen: Friede lernte Axel Springer erst im Sommer 1965 kennen und heiratete ihn 13 Jahre später (siehe auch: www.wams.de/data/2005/02/06/459189.html). Was zutrifft: 27 Jahre nach dem vermeintlichen Treffen nahe Würzburg übernahm Leo Kirch 10 Prozent der Springer-Aktien. Über Strohmänner konnte er bis 1987 weitere 16 Prozent erwerben und steigerte seine Anteile bis zum Untergang seines Imperiums 2002 auf insgesamt 40 Prozent. STG/HPI/CSCH