Handlungsreisender in Engagement

Arthur Miller, der große Kritiker der Lüge vom American Dream, ist tot – ein Schriftsteller, der sich zeitlebens einmischte

Pulitzerpreis. Marilyn Monroe. McCarthy. Der Schriftsteller Arthur Miller hat das Amerikabild der 50er- und 60er-Jahre wesentlich geprägt. Als Bühnenautor ist er mit seinen Stücken „Tod eines Handlungsreisenden“, „Alle meine Söhne“ und „Hexenjagd“ aus dem kollektiven Bewusstsein der Vereinigten Staaten nicht wegzudenken. Als Drehbuchautor feierte er auch große Erfolge, etwa für Filme wie „Misfits – Nicht gesellschaftsfähig“, den er seiner damaligen Ehefrau, Marilyn Monroe, zuliebe so anlegte, dass die Monroe endlich als ernsthafte Schauspielerin anerkannt werden konnte.

Ein Literat der Literaten war er nie, seine Stücke und Storys – auch seine viel gelobte Autobiografie „Zeitkurven“, die vor 20 Jahren erschien – beeindruckten weniger in ästhetischer Hinsicht als durch ihre Konsequenz. Wie so viele Schriftsteller seiner Zeit war Miller ein eher journalistisch denkender Autor, dem das Theater dazu diente, auf die Gesellschaft und das politische Geschehen einzuwirken. Seine Literatur war aus der Erfahrung der Großen Depression und des Zweiten Weltkriegs heraus geboren. Die „Söhne“ wurden in seinen Werken für den Profit verheizt; sein Handlungsreisender scheiterte am eigenen Anspruch, aber auch an der Lüge vom American Dream. In „Hexenjagd“ schließlich benutzte Miller einen historischen Stoff, um durch diesen die Rohheit der McCarthy-Ära zu demonstrieren. In den antikommunistischen Exzessen sah Miller, der dem Marxismus in romantischer Hinsicht nahe stand und im Kern allerdings eher ein wertkonservativer Skeptiker war, einen Tiefpunkt im Niedergang des alten, vom Geist der Revolution geprägten Amerika.

Im Jahr 1915 wurde Miller als Sohn eines Fabrikanten und einer Lehrerin, die infolge der Wirtschaftskrise in den Zwanzigerjahren den Ruin erlebten, geboren. Er arbeitete als Kriegsreporter und griff 1945 mit seinem Roman „Focus“ den Antisemitismus an; der von polnisch-jüdischen Einwanderern abstammende Autor beschäftigte sich zeitlebens mit diesem Thema.

Miller war mitnichten nur auf amerikanische Themen oder Sozialdramen fixiert, doch da er bereits früh als das „Gewissen Amerikas“ gehandelt wurde, fanden all jene Stücke und Romane, in denen er sich anderen Stoffen zuwandte, weit weniger Beachtung. Der kritische Patriot wurde als Schriftsteller von seinem Publikum gefangen gehalten.

Er wolle seinem Publikum ein geschärftes Wahrheitsempfinden vermitteln, sagte er einmal. Daher war er einer klassischen Form verpflichtet, die es ihm erlaubte, seine Botschaften vor einem großen Publikum zu verbreiten. Den Erfolg hat er nie gescheut. Auch wenn es zuletzt stiller um ihn geworden ist, hat es Miller nie unterlassen, sich einzumischen. Er war einer der letzten Vertreter der engagierten Literatur – und blieb es bis zuletzt, auch wenn das große Publikum das Moralische nicht mehr schätzte. Arthur Miller starb am Donnerstag im Alter von 89 Jahren. JÖRG SUNDERMEIER