Das Comeback des Kerry-Rivalen

Heute soll Howard Dean zum neuen Parteivorsitzenden der US-Demokraten gewählt werden. Mitten in der Sinnkrise soll er den Demokraten zu neuem Schwung verhelfen – misstrauisch beäugt von der demokratischen Führungsriege im Kongress

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Howard Dean will es noch einmal wissen. „I am running“ steht auf seiner aufpolierten Website. Und diesmal dürfte der Expräsidentschaftskandidat mit dem fulminantesten Aufstieg und Fall in der jüngeren US-Geschichte gewinnen. Morgen wird er zum neuen Parteichef der Demokraten gewählt.

Vor einem Jahr galt Dean politisch als erledigt. Sein schriller Wutschrei nach den verlorenen Vorwahlen in Iowa schleuderte ihn aus dem Rennen. Der Shootingstar, der den Wahlkampf per Internet revolutionierte und anfangs wie kein anderer Kandidat die Wählerbasis der Partei elektrisierte, wurde plötzlich zum Gespött der Medien und Republikaner. Lange Zeit tauchte er danach ab. Doch seit einigen Wochen steht der ehemalige Gouverneur von Vermont wieder im Rampenlicht der Öffentlichkeit.

Die Wiederauferstehung „aus der Asche von 2004“, so die New York Times, ist nicht etwa nur die fixe Idee des „Doktor Dean“, sondern das Zusammenspiel zwischen einem grundsätzlich talentierten Politiker und einer Demokratischen Partei, die sich nach dem Rücktritt ihres glücklosen Vorsitzenden Terry McAuliffe danach sehnt, aus dem Jammertal geführt zu werden.

Denn John Kerrys Wahldebakel stürzte die Demokraten in eine tiefe Sinnkrise. Die Wahlprozedur zum neuen Parteivorsitzenden, die sonst nicht viel Aufsehen erregt, wurde zur Suche nach einem Heilsbringer.

Schon einmal war es Dean, nach der herben Schlappe bei den Kongresswahlen 2002, der seiner demoralisierten Partei neues Leben einhauchte. Zwei Jahre später gelang es dem Stehaufmann in wenigen Monaten erneut, die Demokraten hinter sich zu scharen. Dean weiß, wie man die Seele der Basis massiert. Wochenlang tourte er durch das Land, besuchte Ortsverbände, hörte deren Sorgen, versprach mehr Geld und warb mit seinen Qualitäten als meisterhafter Spendensammler und Mobilisator einer enthusiastischen Gefolgschaft vor allem junger Leute. Zudem konnte er sein Image abschütteln, ein unberechenbarer Wüterich und Linksaußen zu sein. Letzteres verstanden Dean-Kenner ohnehin nie. Abgesehen von seiner strikten Antikriegshaltung vertritt er oft sozialkonservative Positionen.

Doch der Gedanke an einen Vorsitzenden Howard Dean erfüllt das Partei-Establishment in Washington immer noch mit Horror. Die Fraktionschefs in Senat und Abgeordnetenhaus versagten ihm die Unterstützung. Sie sehen in ihm eine leichte Beute für den politischen Gegner. „Sein Stil und seine Botschaft werden die Erfolgsaussichten der Partei erheblich minimieren«, prophezeit denn auch Richard Bond, ehemaliger Chef der Republikaner.

Immer mehr Demokraten aus dem Hinterland sind jedoch überzeugt, dass Dean der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt ist. Selbst im Süden schwören sie mittlerweile auf den Neuengländer. „Was unsere Partei dringend benötigt, ist Energie, Enthusiasmus und der Wille, außerhalb bekannter Muster zu denken. Dean verfügt über all diese Qualitäten“, schwärmt Scott Maddox, Chef der Demokraten in Florida. Am Donnerstag schwenkte sogar John Kerry in das Dean-Lager um.

Der Schritt überrascht, da Dean ihm und der Partei-Elite den Spiegel vorhält. Dean hatte einfach in vielen Punkten Recht. Er hielt den Irakkrieg für falsch – eine Ansicht, die von der Mehrheit der Amerikaner heute geteilt wird. Er wurde belächelt, als er seine Partei aufforderte, auch die Partei der „Männer mit Südstaatenfahne am Pick-up-Truck“ zu sein – eine Gedanke, der heute ein Gemeinplatz ist. Und er war überzeugt, dass nur ein Kandidat mit erkennbarem Profil eine Chance habe – lieber etwas ungehobelt und prinzipienfest als redegewandt und wankelmütig.

Anders als ein Parteivorsitzender in Deutschland zieht der Parteichef in den USA die Fäden eher hinter den Kulissen. Sein Job besteht darin, die Wahlkampfkasse zu füllen und Ideen zu entwickeln, wie die eigene Wählerbasis verbreitert werden kann. Doch Dean hat erkennen lassen, dass er sich stärker in die öffentliche Debatte einmischen will, als seine Vorgänger es taten. Die Führungsriege der Demokraten im Kongress fürchtet schon, dass er ihnen die Show stehlen könnte.