Rechenspiele um das Hochwasser

Wie der Bundesrat ein Gesetz kippen kann, obwohl es nicht zustimmungspflichtig ist: Selbst ein Kompromiss mit Brandenburg rettet das Hochwasserschutzgesetz nicht – Rheinland-Pfalz muss zustimmen oder die Union gnädig sein

BERLIN taz ■ Das Hochwasserschutzgesetz der Bundesregierung steht noch immer auf der Kippe. Wie die taz aus gut informierten Kreisen erfuhr, wollen der Bund und Rheinland-Pfalz ihren Konflikt noch vor der nächsten Sitzung des Vermittlungsausschusses am Mittwoch vom Tisch bekommen. Der SPD-Fraktions- und Parteichef Franz Müntefering kümmert sich persönlich darum. Bislang zeichnet sich jedoch kein Kompromiss ab.

Rheinland-Pfalz lehnt das Gesetz in der vom Bundestag beschlossenen Fassung ab. Hauptkritikpunkt ist der Passus, der die Ausweisung neuen Baugrunds in Überschwemmungsgebieten ausnahmslos verbietet. Eigentlich ist das im Juli beschlossene Gesetz nicht zustimmungspflichtig. Doch kann der Bundesrat gegen jedes Gesetz einen „Einspruch“ einlegen. Erfolgt dieser mit einfacher Mehrheit, kann ihn der Bundestag mit schlichter Mehrheit zurückweisen. Erfolgt er aber mit zwei Dritteln der Stimmen, muss der Bundestag ihn ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit zurückweisen. Und das ist Rot-Grün unmöglich.

Springt nur Rheinland-Pfalz von den SPD-geführten Ländern ab, käme zusammen mit den CDU-geführten Ländern zwar keine Zweidrittelmehrheit zustande. Aber auch die große Koalition in Brandenburg unter Matthias Platzeck (SPD) hat Vorbehalte – und zwar gegen das Ackerverbot in Talauen.

Der Bund bot zwar an, den Ländern die Regelung von Ausnahmen zu überlassen, und Platzeck ist damit zufrieden. Dumm nur, dass jeder Änderungsvorschlag formal im Vermittlungsausschuss beschlossen werden muss, um Bundestag und Bundesrat wieder zur Entscheidung vorgelegt werden zu können. Und im Vermittlungsausschuss hat Rot-Grün keine Mehrheit.

In der Union gibt es zwar Länder, die mit dem Hochwassergesetz leben könnten, dort freut man sich aber über den Knatsch unter den Genossen – und lehnt lieber alles ab. Wird das Gesetz deshalb nicht geändert, stimmt auch Brandenburg dagegen. Und das bedeutet 45 Neinstimmen, womit nur noch eine Stimme zur Zweidrittelblockade fehlt. Diese dürfte aus einer der großen Koalitionen in Bremen oder Sachsen auch kommen, erwartet man in rot-grünen Kreisen.

Die Bundespolitiker erwägen inzwischen, lieber das Gesetz zurückzuziehen, als es im Bundesrat scheitern zu lassen – und den Kompromiss mit Brandenburg neu im Bundestag einzubringen. Das zöge jedoch ein langwieriges Gesetzesverfahren nach sich.

MATTHIAS URBACH