„Wovon sollen wir denn sonst erzählen?“

„Aufwärts zu den Sternen“: Das neue Stück von Obdach-fertig-los, das vom Leben auf Platte handelt, hat in der Fabrik Premiere

Peter ist stinksauer, weil Harry die letzten Tage durchgesoffen hat und jetzt „tüten-zu“ in den Seilen hängt. Kalle und Peter wissen: Dem hilft nur noch ein Stabilisierungstrunk. Das Wort hat Kalle extra für Harry erfunden, wenn der mal wieder einen Schluck aus dem Flachmann braucht. Kalle, Harry und Peter sind Figuren aus dem neuen Stück von Obdach-fertig-los, dem ersten Hamburger Obdachlosentheater. Premiere hat Aufwärts zu den Sternen am Freitag in der Altonaer Fabrik.

Erzählt wird unter anderem von Harry, der säuft und deshalb auf der Straße landet. Während seiner ersten Nacht auf Platte trifft er Andy, der ihm einen Platz anbietet: „Es gibt kein Hotel, das mehr Sterne hat als meins. Wieviel hat‘s denn? Kuck doch mal nach oben. Tausende!“ Mit Humor, sanftem Zynismus und großem sozialen Engagement veranschaulicht das Stück, dass viele Obdachlose nie von diesem Leben geträumt haben. Groß ist – wenig überraschend – der Wunsch, von der Straße wegzukommen: „Von der Straße habe ich die Nase voll“, sagt Andy, der drei Tage später endlich eine eigene Wohnung bekommt.

Seit zehn Jahren gibt es Obdach-fertig-los, und seither führen sie ihre eigenen Stücke auf, in denen es stets um Obdachlosigkeit geht. Einige in der Gruppe kennen die Platte aus eigener Erfahrung, so wie Thomas Dominik, Mitautor und Schauspieler: „Ich hatte eine Kurierdienst-Firma. Doch die ging kaputt und die Beziehung zu meiner Freundin auch. Es folgte der Abbruch aller sozialen Kontakte.“ Andere haben beruflich mit Armut zu tun oder interessieren sich aus sozialen Gründen für das Thema. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, Stücke mit ganz anderen Inhalten zu spielen, kommt ein entschiedenes: „Wovon sollen wir denn sonst erzählen?“

Neu im Team ist Regisseurin Maja Feil. Nach Assistenzen in den Kammerspielen und dem Altonaer Theater wollte sie selbständig arbeiten. Der Kontakt zu Obdach-fertig-los kam über eine Anzeige zustande, in der eigentlich Schauspieler gesucht wurden. Feil bot sich dennoch als Regisseurin an und erwischte einen guten Moment: Gerade hatte sich die Gruppe von ihrem alten Regisseur getrennt. Die Schauspieler mochten sie, und seither dirigiert Feil die Proben, lobt gute Darstellungen – und rügt, wenn jemand seinen Text vergessen hat. Ihre Arbeit verschafft dem Sozialdrama von Gerhard Arland und Thomas Dominik eine lebendige Bühnenform. Feil war es auch, die eine überraschende, zunächst nicht vorgesehene Wendung durchsetzte. Welche das ist, kann sich jeder bei der Premiere selbst ansehen.

Beatrice Wallis

Premiere: Freitag, 18. 2., 21 Uhr, Fabrik