Störende Öffentlichkeit

TODESSCHUSS-PROZESS Ortstermin am Auto des von Polizisten getöteten Istvan C. brachte keine Klarheit darüber, mit welcher Hand der Zivilfahnder schoss

„Ob rechts oder links“, sagt der rechtsmedizinische Gutachter Klaus Püschel, „steht weiter in Frage“

Im Prozess um den Todesschuss auf den Kreditkartenbetrüger Istvan C. tauchen weiter Ungereimtheiten auf. Die Nebenklage-Anwältin des Sohnes beantragte am Mittwoch, den bisher unbekannten Polizisten ausfindig zu machen, der den Schützen und Zivilfahnder Hans-Peter A. (52) nach dem Vorfall auf der Börsenbrücke bewachen sollte. Die Frage: Wieso konnte sich A. nach dem Schuss die Hände waschen – ehe Schmauchspuren gesichert werden konnten.

„In diesem Verfahren war alles anders“, sagte gestern auch der Schussexperte des Landeskriminalamtes Jörn L.. Er hatte das Auto von C. begutachten sollen, in dem der 27-Jährige in der Nacht zum 26. Juni 2007 rücklings erschossen worden war. „Ich merkte schnell, dass was nicht stimmen konnte.“ So seien nach der Tat die Sitze verstellt worden, „was nicht hätte passieren dürfen“, sagte L. Daher seien Aussagen zum Schusskanal „Spekulation“.

Daher sollte ein Ortstermin in der polizeilichen Kfz-Verwahrstelle gestern Klärung bringen: Eigentlich hatte Amtsrichterin Catrin Knuth die Presse ausschließen wollen, um den Termin „störungsfrei“ durchzuführen. Als Knuth nach Protesten nachgeben wollte, beharrte prompt die Polizei auf ihr Hausrecht. Erst nach einigem Hin und Her blieb Öffentlichkeit gewahrt.

Die Rekonstruktion am Renault Laguna brachte indes keine Erhellung. So kann laut Schusskanal A.s Version stimmen: Der Schütze hatte ausgesagt, beim Versuch die Fahrertür des britischen Fahrzeugs zu öffnen, die Waffe aus der rechten Hand in die ungeübte Linke genommen zu haben. Der Schuss könnte aber auch aus der rechten Hand erfolgt sein, als A. die Hintertür öffnen wollte. Das hatte sein Kollege Michael B. angeben. In beiden Fällen wäre „die Waffe an der gleichen Einschussstelle“ gewesen, sagte die Anwältin von C.s Tochter, Ina Franck.

„Ob rechts oder links steht weiter in Frage“, sagte denn auch der rechtsmedizinische Gutachter Klaus Püschel. Wäre aber der Schuss mit Links abgegeben worden, so Püschel, sei eine „ungewollte Schussabgabe“ aufgrund einer „Muskelkontraktion nicht auszuschließen“ – ein Reflex in der linken Hand, ausgelöst durch einen Kraftakt der Rechten im Zusammenwirken mit „Imbalance und optischen und akustischen Reizen“. KAI VON APPEN