Hertha rückt näher

Nach dem 2:1 über Nürnberg klettern die Berliner auf Rang vier. Trainer Götz: „Schöne Momentaufnahme“

BERLIN taz ■ Falko Götz wollte unbedingt etwas loswerden. Ein dickes Lob nämlich. „Hut ab vor allen Spielern, die heute auf diesem knöcheltiefen Untergrund ein solches Tempo vorgelegt haben“, meinte der Trainer von Hertha BSC. In der Tat: Es herrschten grausige Verhältnisse, beinahe den ganzen Tag hatte es wie aus Kübeln gegossen. Zu viel für den Rasen im Olympiastadion. Wie die Ordnungskräfte vor dem Spiel schließlich versuchten, mit Besen die Pfützen vom Rasen zu fegen, sah zwar witzig aus, brachte aber nicht sonderlich viel. Der Zustand des Spielfeldes war jedenfalls miserabel – und das Lob von Götz somit berechtigt.

Der Hertha-Trainer war nach der Partie gegen den 1. FC Nürnberg ohnehin gut aufgelegt. Seine Mannschaft war das elfte Mal in Folge ohne Niederlage geblieben und hat nach dem 2:1-Sieg nun endgültig Kurs aufgenommen in Richtung Europapokal. Dass der Siegtreffer für die Berliner in der letzten Spielminute fiel, änderte nichts daran, dass er hochverdient war. Zwar haben die Herthaner wieder einmal nicht über die gesamten neunzig Minuten überzeugen können, aber vor allem in der ersten Hälfte bewiesen, dass sie richtig gut und schön Fußball spielen können. Und das gegen eine Nürnberger Mannschaft, die sich bisweilen regelrecht eingemauert hatte.

Auch der nach seinem überraschenden Heimatabstecher und wegen einer Grippe abwesende Marcelinho wurde nicht vermisst. Hertha scheint es endlich geschafft zu haben, sich aus der Abhängigkeit vom Spielmacher zu befreien. Schon beim 3:0 in Mainz war Hertha ohne Marcelinho ganz gut zurecht gekommen. Wie Yildiray Bastürk, Gilberto und „Zecke“ Neuendorf diesmal den Ball durch die eng stehenden gegnerischen Reihen laufen ließen, war durchaus sehenswert. Und als der spielfreudige Bastürk nach einer halben Stunde eine derartige Stafette mit einem Sololauf in den Strafraum abschließen wollte, stellte sich ihm Thomas Paulus derart plump in den Weg, dass es einfach Elfmeter geben musste, den Niko Kovac sicher verwandelte. Übrigens: Die Nürnberger brachten in der gesamten ersten Hälfte keinen Schuss auf das gegnerische Tor zustande.

Das wenigstens sollte sich ändern. Clubtrainer Wolfgang Wolf schien seinen Spielern in der Pause so etwas wie einen Zaubertrank verabreicht zu haben. Wie aufgedreht kamen die Gäste aus der Kabine und rutschten minutenlang mit ausgestreckten Beinen in ihre Gegenspieler. Mit einem Mal herrschte eine aggressive Stimmung auf dem Platz. Falko Götz fuchtelte heftigst mit dem Armen und forderte seine Spieler auf, sich doch zu beruhigen. Die jedoch wirkten weiterhin verunsichert. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass Joe Simunic unmittelbar nach Wiederanpfiff mit einer Knöchelverletzung vom Platz getragen werden musste. Die Gäste hatten plötzlich einen Motivationsvorsprung. Das manifestierte sich auch in der Szene, die zum Ausgleich führte: Der Berliner Pal Dardai hatte etwa zehn Meter zu einem quer geschlagenen Ball zurückzulegen, der Nürnberger Markus Daun dreißig. Daun war dennoch zuerst am Leder, spitzelte es an Dardai vorbei und leitete den Ausgleichstreffer durch Marek Mintal (79.) ein.

Als kurz darauf auch noch Neuendorf wegen wiederholten Foulspiels die gelb-rote Karte sah, schien nur noch wenig für die Berliner zu sprechen. Doch wenigstens Bastürk packte plötzlich noch einmal die verloren geglaubte Spielfreude der ersten Hälfte. Er dribbelte drei Nürnberger aus, passte von der Grundlinie zurück, und der eingewechselte Artur Wichniarek schoss in der letzten Minute der Begegnung den Siegtreffer.

„Da bin ich doch sprachlos“, meinte kurz darauf der Nürnberger Mittelfeldspieler Mario Cantaluppi und schaute die versammelten Pressevertreter so traurig an, als wäre mit der Niederlage in Berlin der Abstieg für den Club besiegelt worden. Dem ist aber durchaus nicht so, immer noch acht Zähler Vorsprung auf den drittletzten Tabellenplatz besitzen die Nürnberger. Und Hertha? Auf Platz vier stehen die Berliner nun, was Falko Götz als „eine schöne Momentaufnahme“ bezeichnete. Man gibt sich zurückhaltend in der Hauptstadt. ANDREAS RÜTTENAUER