Pädagogen-Import stopft die Lücke nicht

LEHRERMANGEL Gewerkschaft GEW legt Studie für die norddeutschen Länder vor. Bedarf herrscht überall, in Schleswig-Holstein ist er besonders hoch. GEW fordert kürzere Wartezeiten für ReferendarInnen

Freie Sicht zur Tafel: Nach einer Studie, die die Erziehungsgewerkschaft GEW am Mittwoch in Hamburg und Kiel vorstellte, fehlen in Zukunft Lehrkräfte in allen Schularten und zudem ErzieherInnen in den Kitas. Besonders dramatisch sei die Entwicklung in Schleswig-Holstein, sagte der GEW-Landesvorsitzende, Matthias Heidn. „Es wird sich rächen, dass die Landesregierung die Arbeitsbedingungen so unattraktiv gestaltet hat.“

Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm hatte im Auftrag der GEW die Perspektiven in den fünf norddeutschen Bundesländern untersucht. Und das in zwei Varianten, sagte Klemm: Seine „Sparvariante“ passt den Lehrkräfte-Bedarf an die demographisch bedingt sinkenden SchülerInnenzahlen an, die „Gipfelvariante“ dagegen richtet sich nach den politischen Äußerungen beim „Bildungsgipfel“. Dort war zugesagt worden, den Demographiefaktor nicht einzubeziehen. Je nach Varianten müssten bis 2015 in allen fünf Ländern pro Jahr 4.600 oder 6.500 Vollzeit-LehrerInnenstellen neu besetzt werden. Dem stehen die Studierenden von heute gegenüber, die künftig in die Schulen strömen könnten: Laut Klemms Berechnung werden davon jährlich 4.384 an den Hochschulen des Nordens ausgebildet. Jenseits der Statistik sei die Versorgungslücke noch größer: „Viele studieren ja Deutsch und Geschichte“, so Klemm – „aber genau die braucht man nicht.“

Natürlich sei „Import von Lehrkräften eine mögliche Strategie, um Ausbildungskosten zu sparen“, sagte Klemm. „Aber bei einem zu erwartenden bundesweiten Mangel wird es gerade für Schleswig-Holstein schwierig sein.“ Der Bedarf im Land liegt sogar in der „Sparvariante“ bei rund 735 Lehrkräften, die Hochschulen im Land entlassen aber nur rund 420 pro Jahr. In der „Gipfelvariante“ bräuchte Schleswig-Holstein, wo die Schülerzahlen besonders stark sinken, sogar über 1.000 neue Lehrkräfte jährlich. Heidn forderte als schnelle Lösung, die Wartezeit auf Referendariatsplätze zu verkürzen.

Ebenfalls untersucht wurden die Zahlen für Krippen und Kitas. Auch dort macht sich zwar der demographische Wandel bemerkbar, wird allerdings mehr als ausgeglichen, weil Plätze für Unterdreijährige geschaffen werden sollen. Der Bedarf werde sich daher in allen fünf Ländern von rund 50.000 auf 63.000 Stellen steigern. Die GEW kritisiert, dass die Bildungsministerien keine eigenen Zahlen zum Bedarf an pädagogischen Fachkräften vorlegen. ESTHER GEISSLINGER