Ikea zum Blättern

Seit zehn Jahren rollt „Metro“ mit seinen Gratisblättern weltweit die Zeitungsmärkte auf, ist aber nicht rentabel. Das Gegenrezept der Schweden: Partner suchen und fröhlich weiter expandieren

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Täglich 6,2 Millionen Exemplare. 45 Ausgaben, die in 63 Städten in 17 Ländern in Europa, Asien und Amerika erscheinen. Pelle Törnberg, Chef von Metro-International, mag solche Zahlen. Am 13. Februar 1995 wurden in der U-Bahn der schwedischen Hauptstadt die ersten Ausgaben von Metro verteilt. Zehn Jahre später kann Metro sich rühmen, zu einem schwedischen Exportschlager geworden zu sein. Fast schon so bekannt wie Ikea. Und man hofft, sich demnächst mit dem Titel der auflagenstärksten Zeitung der Welt schmücken zu können. In Schweden ist man bereits Nummer eins.

Aber will man ein Anzeigenblättchen, dessen redaktioneller Teil großenteils mit Tickermeldungen gefüllt ist, im Ernst mit „richtigen“ Tageszeitungen vergleichen? Auch hier hat Törnberg seine Zahlen: „Wir haben mehr Journalisten als CNN.“ Nämlich 400. Pro Ausgabe sind das zwar im Schnitt nicht mehr als ein Dutzend, aber gedruckt zu finden, was man am Abend vorher in der „Tagesschau“ gesehen hat, reicht nicht, um das Interesse auch nur zwischen zwei U-Bahn-Stationen wach zu halten. Gerade hat Metro eine weitere Stärkung seiner journalistischen Ambitionen angekündigt und eine redaktionelle Zusammenarbeit mit CNN und BBC-World vereinbart.

Die Häme der Branche über das „Käseblatt“ ist im Laufe der Jahre zum großen Teil verstummt. Und Stimmen wie die der französischen Journalistenvereinigung, die alle KollegInnen, welche bei Gratisblättern arbeiten, als Verräter bezeichnete, bleiben die Ausnahme. Mit den „richtigen“ Zeitungen und deren publizistischen Ambitionen wollte man sowieso nie konkurrieren, sondern nur um den gemeinsamen Werbekuchen. Hier hat das Erscheinen von Metro das Leben der etablierten Konkurrenz natürlich schwerer gemacht.

Bleibt die Gefahr der „Metroisierung“ der Branche. Bis zum Skelett abgespeckte Redaktionen, welche vorwiegend leichte Kurzkost servieren. Vor solcher „Anorexie“ hat Agneta Lindblom Hulthén, die Vorsitzende des schwedischen Journalistenverbandes, schon seit Jahren gewarnt. Sie sagt, Metro sei ein Produkt dieser Entwicklung, nicht die Ursache.

Eines wurde Metro-International bei aller Expansion in den letzten zehn Jahren nicht: ein lohnendes Geschäft. Nur zweimal (1997 und 1998) wurden Gewinne gemacht. Vor zwei, drei Jahren war sogar von drohender Zahlungsunfähigkeit die Rede. Nur dank des hinter Metro stehenden MTG-Konzerns überlebte man. Intern muss jede neue Ausgabe nach drei Jahren schwarze Zahlen schreiben. Um das Risiko zu verteilen, sucht man seit längerer Zeit nach Medienpartnern. So wurde gerade die New York Times Miteigentümerin an Metro. In Boston.