WAHNSINN IM HINTERHOF
: Voll Gas geben

Das war das, denkt Lea. Guten Morgen, Berlin

Durch einen Höllenlärm wird Lea wach, und sie ist sogleich auf 180. Jemand gibt voll Gas im Hinterhof, fährt aber nicht davon. Lea schaut auf den Wecker. Es ist 7 Uhr, und es ist ein Samstag. Der Wagen röhrt. Lea realisiert sofort, dass Liegenbleiben keine Option ist. Zornig springt sie aus dem Bett, wirft sich einen Bademantel über, reißt die Vorhänge auf und ist auch schon auf dem Balkon.

Sie würde gerne lautstark protestieren und wissen wollen, was das soll, aber derjenige, der da unten verrückt spielt, könnte sie gar nicht hören wegen des selbst gemachten Alarms. Lea checkt, dass sich dieses Problem nicht von selbst erledigen wird. Sie streift ein paar Klamotten über, läuft vier Stockwerke hinunter und aus dem Haus. Sie quert drei Hinterhöfe, um schließlich denjenigen zu erreichen, in dem die Ruhestörung so effizient hergestellt wird.

Mittlerweile stinkt es dort extrem nach Abgas und nach Rauch. Unter der Motorhaube qualmt es dermaßen, dass Lea wegen der fetten Rauchschwaden nicht sehen kann, wer die Karre volle Pulle röhren lässt. Nachbarn schauen nun aus umliegenden Fenstern. Einer schreit, er werde jetzt die Polizei anrufen, er habe genug, das sei ja der reinste Wahnsinn. Bis die hier sind, denkt Lea. Plötzlich hat sie Angst. Was will der Mensch eigentlich bezwecken, der hier Vollgas gibt? Was ist, wenn der Wagen anfängt zu brennen? Da ist doch Benzin im Tank! Sie nähert sich der Wagentür, und ihr Instinkt empfiehlt: Abstand halten! Der Durchgeknallte kann sie nun sehen. Er nimmt den Fuß vom Gas.

Eine Weile, nachdem Lea wieder in ihrer Wohnung angekommen ist, steigt der Mann aus dem rauchenden Wagen. Sie brüllt in den Hof, was das zum Teufel sollte? Er brüllt: „Halts Maul, du Fotze! Verpiss dich in deine Kammer!“ Das war dann das, denkt Lea. Guten Morgen, Berlin.

GUNDA SCHWANTJE