Kompromiss beim Energierecht gesucht

Bei der Neugestaltung der Nutzung des Stromnetzes hat sich Rot-Grün zwischen alle Stühle gesetzt: Sowohl die großen Stromverbraucher als auch die Umweltverbände sind unzufrieden. Sie monieren eine Bevorzugung der Netzbetreiber

VON STEPHAN KOSCH

Heute treffen sich Vertreter von Rot-Grün, um noch einmal über das neue Energiewirtschaftsgesetz zu reden. Umweltschützer und Wirtschaft waren sich vorab einig: Sollte das Gesetz wie geplant durchkommen, drohen den Kunden Mehrbelastungen in Milliardenhöhe. Das soll die Gegenleistung für rund 9,3 Milliarden Euro sein, die die großen Stromkonzerne bis 2010 ins Netz investieren wollen.

Dieser Ausgleich bedeute eine einseitige Bevorzugung der Stromnetzbetreiber, moniert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnt vor einem „dreisten Subventionsdeal“, die Zeche zahlten Handwerk, Mittelstand und private Haushalte.

Umstritten sind vor allem zwei steuerliche Regelungen, die das Bundeswirtschaftsministerium offenbar als Entgegenkommen für die großen Konzerne festschreiben will. Zum einen sollen die Netzbetreiber bei der Kalkulation ihrer Kosten auch die Körperschaftsteuer heranziehen können. In anderen wirtschaftlichen Zusammenhängen sei dies undenkbar, erklärt DUH-Energieexperte Stefan Bundscherer. „Das ist so, als ob Ihnen der Klempner seinen Steuerbescheid mit auf die Rechnung schreibt.“

Zum anderen soll bei der Preisberechnung das Prinzip der so genannten Nettosubstanzerhaltung erlaubt werden. Damit können auch Steuern auf Scheingewinne angerechnet werden. Das würde zusätzliche Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten, hat der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) ausgerechnet, der die großen Stromverbraucher der Industrie vertritt. Seinen Berechnungen zufolge brächte die Anrechnung der Körperschaftssteuer RWE, Eon und Co je nach Berechnungsgrundlage ein bis zwei Milliarden Euro zusätzlich im Jahr ein.

Um der Kritik dieser industriellen Stromfresser entgegenzuwirken, hatten die Vorstandsvorsitzenden von EnBW, RWE, Eon und Vattenfall gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) einen kräftigen Rabatt für Großkunden ausgetüftelt, der über eine Pauschale von allen Verbrauchern gegenfinanziert werden sollte. Doch der VIK lehnte ab, da eine solche Regel nur die überhöhten Netzentgelte zementiere. Die Netznutzungsentgelte müssten für alle Verbraucher – also sowohl für die Industrie als auch für die Privathaushalte – sinken.

Die Leitungskosten machen derzeit 30 bis 40 Prozent des Strompreises aus. Auch innerhalb der SPD und bei den Grünen ist die geplante Regelung umstritten – auch weil Widerstand der EU-Kommission erwartet wird. Die Umwelthilfe sieht in den geplanten steuerlichen Regelungen zudem Probleme für die erneuerbaren Energien. Deren Produzenten bleiben wegen überhöhter Netznutzungsentgelte weiterhin vom Markt ausgeschlossen. „Was der deutsche Energiemarkt jetzt braucht, sind faire Netzpreise und eine Chance für umweltgerechte Stromerzeuger – ohne weitere Verzögerung“, erklärte Bundscherer.