Bayern rutschen aus

Auf der schneebedeckten Alm kassiert der Tabellenführer aus München die erste Niederlage des Jahres. Trainer Felix Magath findet das jedoch nicht weiter tragisch

BIELEFELD taz ■ Oliver Kahn schlurfte an den Werbebanden vorbei und schüttelte mit dem Kopf. „Nää, ich sag’ nix“, grinste der Torwart, „hab’ nich gespielt.“ Das war am vergangenen Mittwoch, nach dem Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Argentinien. Am Sonntag marschierte Kahn mit grimmiger Miene durch die Gänge der Bielefelder Schüco-Arena. Den Blick streng geradeaus. Kein Ton. Nicht einmal ein: „Nää, ich sag’ nix.“

Es war wirklich nicht die Woche des Oliver Kahn. Zuerst zog Bundestrainer Jürgen Klinsmann seinen Rivalen Jens Lehmann im Vergleich mit Argentinien vor und speiste ihn mit der kommenden Partie in Slowenien ab, und dann verlor der FC Bayern auch noch mit 1:3 bei Arminia Bielefeld. Es war die erste Niederlage des Bundesliga-Tabellenführers in diesem Jahr, und es waren die ersten Gegentore anno 2005 für Kahn, den einige schon wieder auf dem Weg zum „Titan“ sehen. Das allein also war schon Grund genug für ihn, sauer zu sein; doch richtig fies war es von den Ostwestfalen, dass sie dem Nationaltorhüter keinen einzigen Ball vor Hände, Füße, Kopf oder Brust schossen, den er hätte halten können. Nicht einmal ein mickriger Fernschuss glitt in Kahns Arme. Dabei wären Fernschüsse durchaus angebracht gewesen, schließlich war der Rasen von Schnee bedeckt, was für die Analyse des Spiels von einiger Bedeutung war. „Bedingt durch die Bodenverhältnisse, bei denen es auf die kämpferische Leistung und nicht so sehr auf die spielerische ankam, waren die Bielefelder uns überlegen“, befand Münchens Trainer Felix Magath, der die Niederlage mehr als notwendige Erfahrung auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft denn als Rückschlag wertete. „Wir müssen deshalb keine Trübsal blasen“, so Magath. Selbst über eine nicht geahndete Tätlichkeit von Fatmir Vata gegen Willy Sagnol regten sich die Bayern nach Schlusspfiff nur mäßig auf.

Bielefelds Trainer Uwe Rapolder gefiel die Analyse seines Kollegen. „Felix hat natürlich recht, dass uns die Umstände entgegenkamen. Aber man muss die Bayern auch erst mal schlagen“, stimmte er bei – und ergänzte, dass seine Mannschaft dies mit „großem Herzen“ getan habe. Die Fußball-Lehrer waren sich einig: Schnee gleich Kampfspiel gleich Nachteil für Techniker gleich Vorteil für die defensiver eingestellte Mannschaft gleich Sieg für die Arminia. Massimilian Porcello (23.) und Delron Buckley (61./83.) setzten diese Theorie bei einem Gegentreffer von Lucio (81.) schließlich in die Praxis um.

Diese Gleichung fand bei Michael Ballack allerdings wenig Gefallen: „Dasselbe Spiel hätte sich auch entwickelt, wenn kein Schnee gewesen wäre“, glaubte der Bayern-Star. Ohne die Worte seines Trainers zu kennen, widersprach der wirkungslose Mittelfeldspieler, gerade von einer Grippe genesen, seinem Trainer in fast allen Punkten. Zur Theorie vom nicht weiter tragischen Betriebsunfall sagte er: „Es wäre schön, wenn es nur ein Ausrutscher wäre. Aber momentan klafft eine Lücke zwischen den Leistungen in Heim- und Auswärtsspielen. Wir waren schon in Berlin nicht toll.“ Ballack hielt auch wenig davon, die Führung der Arminia als Begründung dafür gelten zu lassen, dass sich ein Spiel entwickelte, in dem die Bielefelder munter konterten und die Bayern konzeptlos gegen die geschickte Defensive des Deutschen Sport-Clubs anrannten: „Es ist für eine Mannschaft immer gut, wenn sie in Führung geht.“

Während Ballack all dies erzählte, durfte sich hinter ihm Torsten Frings ungefragt aus dem Staub machen. So kam er um eine Erklärung herum, warum er am Mittwoch gegen Argentinien weltklasse gespielt hatte und am Sonntag in Bielefeld recht weit unter Bundesliga-Durchschnitt. Vielleicht lag es an der Rollenverteilung. Bei Bundestrainer Jürgen Klinsmann spielte Frings auf seiner Wunschposition vor der Abwehr, bei Magath muss er momentan hinter den Spitzen agieren. Zumindest hatte er dort mehr Ballberührungen als Oliver Kahn.

MARCUS BARK