Laufen, springen, kombinieren

Morgen beginnen in Oberstdorf die Nordischen Ski-Weltmeisterschaften. Organisatorisch ist alles gerichtet, nur bei den als Stimmungsverstärker vorgesehenen deutschen Athleten lief es zuletzt nicht so gut wie noch zu Beginn des Winters

AUS OBERSTDORF KATHRIN ZEILMANN

Aus Oberstdorf kommen in diesen Tagen allerhand Neuigkeiten. Eine WM-Sonderbriefmarke gibt es, die Bleikristalltrophäe für die Sieger bei den morgen beginnenden Nordischen Ski-Weltmeisterschaften ist ganze 4,5 Kilogramm schwer, und Sturmtief „Ulf“, das am Wochenende übers Land gefegt war, hat nur minimalen Schaden angerichtet. Beruhigende Signale, die vom Tal im Allgäu hinaus in die Weiten der Republik gegeben werden.

Diese frohen Nachrichten sollen demonstrieren, wie groß die Vorfreude ist, in Deutschlands südlichster Gemeinde die besten nordischen Skisportler der Welt zu küren. Ist ja auch eine feine Sache: 300.000 Zuschauer haben sich angesagt, über 500 laufende, springende und kombinierende Sportler, vorzugsweise aus Skandinavien, Mittel- und Osteuropa, kämpfen um 57 Medaillen – und das Fernsehen ist immer dabei. 23 Millionen Euro haben Umbauarbeiten an den Schanzen, ein neues Langlauf-Stadion und sonstige Bauprojekte gekostet. Die öffentliche Hand hat kräftig mitfinanziert, das restliche Geld versuchte man, durch Engagement privater Investoren und durch den freien Verkauf von Schuldscheinen in die Kassen zu bekommen. Jetzt darf bloß nichts mehr schief gehen.

Aber mit Problemen rechnet niemand ernsthaft, es sei denn, das Wetter schlägt Kapriolen. Die Oberstdorfer sind erprobt in der Gestaltung von sportlichen Großereignissen, immerhin beginnt hier alljährlich die Vierschanzentournee. Und vor 18 Jahren durfte Oberstdorf schon einmal eine Nordische Ski-WM ausrichten, damals hat alles sehr gut geklappt, fast 400.000 Leute waren da – obwohl man den Skisprung-Boom damals nicht einmal geahnt hat und auch nicht damit zu rechnen war, dass Langlauf mal ein trendiger, in Lifestyle-Magazinen beworbener Sport werden würde. Einzig die Nordischen Kombinierer holten Medaillen: im Teamwettkampf das Trio Hans-Peter Pohl, Thomas Müller und Hermann Weinbuch. Letzterer war zunächst Vierter im Einzel, wurde aber, weil der Zweite des Dopings überführt worden war, noch auf Platz drei gestuft.

Heute ist Weinbuch Bundestrainer der deutschen Kombinierer. Er sagt: „Das ist schon eine besondere Situation, wenn du im eigenen Land bei einer WM am Start bist. Da soll natürlich alles hundertprozentig klappen.“ Seine jetzigen Kollegen Jochen Behle (Langlauf) und Peter Rohwein (Skisprung) waren 1987 auch als Aktive dabei, wenn auch weit weniger erfolgreich. Für die WM 2005 gilt für die deutschen Starter: Vieles ist möglich, sicher ist nichts. Bei so einer WM lassen sich zwar Shuttle-Services, Parkleitsysteme und Sonderfahrpläne für Bus und Bahn entwerfen, sportlicher Erfolg bleibt zum Glück unplanbar.

Es hatte gut ausgesehen zum Beginn des Winters. Axel Teichmann schien in der Loipe unbezwingbar, und Kombinierer Ronny Ackermann sprang und lief allen davon. Doch Anfang Januar wurden die Konkurrenten besser, Teichmann und Ackermann eingeholt und überholt. Zuletzt pausierte Teichmann wegen Halsschmerzen, während Ackermann einen groben Fehler, der sich beim Springen eingeschlichen hatte, wegtrainieren wollte.

Das Üben auf den Schanzen hat auch Martin Schmitt lange beschäftigt. Zuletzt beim Wettbewerb in Pragelato zeigte er ein paar passable Sprünge, ein paar schwache und im Mannschaftswettbewerb einen recht stabilen Satz, der dem deutschen Team Rang drei bescherte. Doch kaum scheint sich das fragile Sprungsystem Schmitts – man hat es nach diversen Rückschlägen gar nicht mehr geglaubt – zu festigen, droht Georg Späth in ein ernsthaftes Formtief zu geraten. Ausgerechnet Späth. Er ist nur rund 300 Meter von der Oberstdorfer Schanze entfernt aufgewachsen und hat in den vergangenen beiden Jahren mit einigen Podestplätzen Ansätze gezeigt, Schmitt und Sven Hannawald nachzufolgen. Oberstdorf hat ihn flugs zum WM-Botschafter gekürt und für repräsentative Termine verpflichtet.

Peter Rohwein hatte nach der Vierschanzentournee erklärt: „Georg Späth hat beste Chancen in Oberstdorf. Diese Erwartungshaltung hat er selbst auch, damit setze ich ihn nicht unter Druck.“ Anscheinend aber schon. In letzter Zeit wirkten Späths Sprünge verzagt und nicht so, als würde er energisch einem Großereignis vor der elterlichen Haustür entgegengehen. Jetzt soll ein kurzfristiges Trainingsprogramm Abhilfe schaffen. Wäre ja schade, wenn sich ausgerechnet der Oberstdorfer Bub bei dieser WM nicht an Sonderbriefmarken und Bleikristalltrophäen erfreuen könnte.