Libanons Ex-Premier bei Anschlag getötet

Bei der Explosion einer Autobombe sterben in Libanons Hauptstadt Beirut mindestens neun Menschen, dutzende werden verletzt. Noch hat sich keine Gruppe zu dem Attentat bekannt. Auch die Motive sind unklar. Syriens Präsident: „Furchtbare Tat“

VON KARIM EL-GAWHARY

Es waren Bilder, von denen eigentlich jeder erwartet hatte, sie gehörten der Beiruter Vergangenheit an. Als der Konvoi des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri die Küstenstraße im Zentrum Beiruts passierte, brach die Hölle los. Mindestens eine Autobombe explodierte, gefolgt von Explosionen der Benzintanks mehrerer geparkter Fahrzeuge. Umliegende Gebäude, wie das St. George Hotel, wurden beschädigt. Hariri wurde ins benachbarte Krankenhaus der Amerikanischen Universität transportiert und erlag auf dem Weg seinen Verletzungen. Mindestens neun weitere Menschen, darunter zwei Exminister, wurden bei dem Anschlag getötet und mehrere Dutzend verletzt.

Waren Autobomben einst eines der wichtigsten Werkzeuge der Kriegsparteien im libanesischen 15-jährigen Bürgerkrieg, war es seit dessen Ende 1990 in Beirut relativ ruhig geblieben. Der Millionär Hariri war maßgeblich daran beteiligt, sein vom Bürgerkrieg zerstörtes Land in seiner zehnjährigen Amtszeit wieder aufzubauen. Bisher hat sich keine Gruppierung zu dem Anschlag bekannt. Im Libanon operieren zahlreiche radikale politische Gruppierungen. Beirut ist auch ein wichtiger Stützpunkt vieler arabischer und internationaler Geheimdienste.

Es ist schwer, ein Motiv auszumachen. Die palästinensischen Gruppen im Land haben kein Interesse am Tod Hariris. Auch wenn spekuliert wird, dass eine der islamistisch-palästinensischen Splittergruppen hinter dem Anschlag stecken könnte.

Auch die schiitische Hisbollah ist bekannt für ihre Angriffe auf israelische Positionen im früher besetzten Südlibanon. Seit dem israelischen Rückzug hatten sich die Hisbollahkämpfer mit ihren Attacken auf das kleine Gebiet Schebafarmen konzentriert – den ihrer Meinung nach letzten israelisch besetzten Teil des Libanons. Hariri hatte Hisbollah dafür verantwortlich gemacht, dass der Libanon nicht zur Ruhe komme. Doch Hisbollah hat sich in der politischen Szene seit dem Bürgerkrieg nur als Parlamentspartei hervorgetan. Es gibt keine Hinweise, dass Hisbollah in den letzten Jahren im Libanon militärisch operierte.

Einige Finger deuteten auch auf Damaskus und den syrischen Geheimdienst. Das Nachbarland hat immer noch Truppen im Libanon. Hariri galt zu seiner Zeit als Premier als pragmatisch syrienfreundlich. Er hatte ein gutes Arbeitsverhältnis zu Damaskus, und seine Bauunternehmen kamen den Syrern gelegentlich mit kleineren Gefälligkeiten entgegen.

Aber im letzten Oktober hatte sich Hariri in eine Rivalität mit dem von Syrien unterstützten libanesischen Präsidenten Emil Lahoud verstrickt und seinen Rücktritt eingereicht – aus Protest, dass Damaskus Druck ausgeübt hatte, die Amtszeit Lahouds zu verlängern.

Es ist unwahrscheinlich, dass Syrien, das den Libanon als graue Eminenz kontrolliert, an einem derartig destabilisierenden Anschlag Interesse haben könnte. Syriens Präsident Baschar al-Assad verurteilte den Anschlag gestern als „furchtbare Tat“ und auch als „gegen Syrien gerichtet“.

Der Selfmademan Hariri hatte stets das Image, im Managementstil zupacken zu können. Aber Hariris unkonventionelle Methoden hatten ihm nicht nur Freunde beschert. Unkontrollierte Staatsausgaben und Korruption gingen mit seinem Regierungsstil einher. Angeblich soll er 600 Millionen Dollar ohne parlamentarische Zustimmung ausgegeben haben. Mancher warf dem Bauunternehmer vor, aus dem Libanon und vor allem der Hauptstadt Beirut eher ein gigantisches Bauspekulationsobjekt gemacht zu haben, als sich um die sozialen Belange der Libanesen zu kümmern. „Al-Baschar vor al-Hajjar“ – „den Menschen vor dem Stein“ lautete der Slogan seiner Kritiker.

Die Libanesen haben mit Hariri einen Politiker verloren, der für sie auch ein Symbol des Wiederaufbaus nach dem Bürgerkrieg war. Für sie ist der Anschlag eine bittere Erinnerung, dass die libanesische Stabilität bis heute auf tönernen Füßen steht.

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