NPD betrauert neues Opfer: die NPD

Rechtsextreme wollen ihre Demo größer reden, als sie eigentlich war. Experten: Keine Signalwirkung

BERLIN/DRESDEN taz ■ Halb trotzig, halb beleidigt klang, was die Rechtsextremen nach dem Aufmarsch ihrer Gesinnungsgenossen in Dresden verbreiteten: Die offiziellen Teilnehmerzahlen seien eine „dreiste“ Falschinformation, tönte Sachsens NPD-Fraktionschef Holger Apfel, kaum vom Podium heruntergeklettert. „Damals wie heute“, so der Schirmherr des Aufmarschs, „lügen die antideutschen Geschichtsverfälscher.“ Denn tatsächlich hätten rund 8.000 „nationale Deutsche“ des „anglo-amerikanischen Terrorangriffs“ gedacht. Belege? Fehlanzeige.

Der Reaktion spricht dafür, dass die NPD insgeheim auf noch mehr Teilnehmer gehofft hatte. Denn mit rund 5.000 Teilnehmern war der Aufmarsch laut Verfassungsschutz zwar „eine der größten Demonstrationen von Rechtsextremisten sowohl in Sachsen als auch bundesweit“. Und im vorigen Jahr hatte der „Trauermarsch“ durch Dresden nur 2.500 Neonazis und Ultrarechte angelockt. Allerdings mobilisierte die NPD nach Verfassungsschutzangaben vor sieben Jahren in Leipzig schon einmal 5.000 Gesinnungsgenossen zu einer 1.-Mai-Demo.

Gemessen an den vollmundigen Ankündigungen der Rechtsextremen seien 5.000, zum großen Teil von weither herangekarrte Teilnehmer „nicht weltbewegend“ gewesen, urteilt der Berliner Extremismusforscher Oskar Niedermayer. Seiner Ansicht nach dürfte der Aufmarsch auch „keine positive Signalwirkung für die NPD“ haben. Es sei nicht einmal erwiesen, dass Bilder wie die aus Dresden überhaupt breitere Wählerschichten für die NPD begeistern könnten, so Niedermayer zur taz.

In Dresden selbst gingen die Meinungen über die mittelfristige Bedeutung des Massenspuks auseinander. Der Aufmarsch sei „eine Katastrophe für die Stadt“ und für die demokratischen Kräfte im Land Anlass zur Selbstkritik, urteilte Friedemann Bringst vom Kulturbüro Sachsen. Israelische Teilnehmer eines internationalen Kolloqiums hätten – trotz symbolischer Gegenaktionen zehntausender Bürger – fassungslos reagiert.

Im Gegensatz dazu zeigte sich der Dresdner DGB-Chef Ralf Hron zufrieden: „In Dresden hat sich erstmals ganz breit ein Klima der Ablehnung gegen die Neonazis gezeigt.“ Trotz des massiven Aufwands sei es den Rechtsextremen eben nicht gelungen, das Bild des Gedenktages zu dominieren.

Auf wenig Freude bei der NPD-Spitze dürfte eine andere Nachricht aus ihrer Vorzeigeregion stoßen. Während sich die Parteioberen noch ihrer „friedlichen“ und „würdevollen“ Protestaktion beglückwünschten, prüft die Staatsanwaltschaft Dresden die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Der Verdacht: Die NPD könnte Verbindungen zur verbotenen Neonazigruppe Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) pflegen. Hinweise darauf finden sich offenbar in einem passwortgeschützten Internetforum. Darin soll sich der Teilnehmer nach einer Razzia gegen die SSS gebrüstet haben, dass „alle Daten, Providerverträge“ bei jemandem lägen, „der Immunität hat“ – damit könnte er einen NPD-Abgeordneten meinen. ASTRID GEISLER